Agilität – aus der Softwareentwicklung hinein in den Digital Workplace

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Digital und Agil – eine untrennbare Begrifflichkeit?

Scrum und Kanban sind Methoden, die häufig zusammen genannt werden, wenn es um agiles Projektmanagement geht. Doch worin unterscheiden sie sich?  Wieso braucht man überhaupt agile Ansätze? Und was hat der Digital Workplace damit zu tun? Hierzu ein Gastbeitrag von Christoph Herzog von www.arbeitsplatz40.de.

Scrum, Kanban und agile Softwareentwicklung

 Die Themen Agilität und Digitalisierung durchziehen die Diskussion über den Arbeitsplatz der Zukunft. Bevor man über verschiedene agile Ansätze des Projektmanagements (PM) wie Scrum und Kanban nachdenkt, ist es sinnvoll sich mit den Unterschieden zwischen agilem und (sogenanntem) traditionellem Projektmanagement zu befassen. Denn so erkennt man die Eigenart einer agilen Herangehensweise und dann auch wieso Agilität ein spezielles Verhältnis zum Digital Workplace hat. Zunächst also die große Frage:
Agile Softwareentwicklung? Wofür eigentlich?

Traditionelle Methoden haben meist eine Eigenart: Ein zu Beginn genau abgestecktes Projektziel soll mit möglichst wenig Veränderung erreicht werden. Das ist ein absolut berechtigter Ansatz, aber: er funktioniert nicht immer. Denn es gibt Projekte, die in ihrem Ziel nicht detailliert genug beschrieben werden können, die sich ändern und entwickeln. Genau hier kommt agiles Projektmanagement ins Spiel, als Methode dynamische Projekte flexibel zu handhaben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass agile Konzepte traditionelle überflüssig machen. Traditionelle und agile Methoden bewegen sich innerhalb der gleichen Rahmenbedingungen, sie sind nur unterschiedlich gewichtet. Je nach Art des Projektes ist der eine Ansatz besser geeignet als der andere.

Ein prominentes Modell ist das Dreieck des Projektmanagements: Jedes Projekt bewegt sich zwischen den Koordinaten Zeit, Ressourcen und Anforderungen. Ändert sich einer dieser Aspekte, wirkt sich das auch auf die anderen aus: Wird das Budget gekürzt benötigt das Projekt entweder mehr Zeit oder die Anforderungen müssen angepasst werden.

Koordinaten des Projektmanagements
Gleiche Koordinaten, andere Gewichtung: Traditionelles und agiles Projektmanagement.

Ein traditioneller Ansatz spezifiziert die Anforderungen detailliert und betrachtet sie als feste Größe. Um sie zu erreichen, können Zeit und Ressourcen angepasst werden. Ein agiler Ansatz hingegen akzeptiert, dass die Anforderungen nicht genau beschrieben werden können und sich erst im Projektverlauf herauskristallisieren und verändern. Entsprechend werden hier Zeit und Ressourcen als fix betrachtet, damit das Projekt nicht außer Kontrolle gerät.

Seine Stärken spielt das agile Projektmanagement insbesondere bei kreativen und innovativen Aufgaben aus. Soll etwas Neues entworfen werden ist Raum für Entwicklungen und Veränderungen unabdingbar. Auch wenn das Projektziel schrittweise erreichbar ist, sind agile Methoden im Vorteil. Sie können Zwischenziele wesentlich effizienter abarbeiten und dabei kontinuierlich Verbesserungen einfließen lassen. Werfen wir also einen Blick auf den wohl bekanntesten Ansatz: Scrum.

Schnelle Sprints statt kräftezehrenden Marathon: Scrum

Der deutsche Scrum Guide umfasst gerade einmal 19 Seiten. Erstaunlich wenig für eine Projektmanagement-Methode. Allerdings weist er auch darauf, dass Scrum einfach zu verstehen und schwierig zu meistern ist. Nicht entmutigen lassen! Hierin liegt eine der Stärken von Scrum! Statt auf zahlreiche und komplexe Prozesse zu setzen, bietet Scrum einige nachvollziehbare Regeln und Projektrollen. So entsteht ein Framework, in dem sich jeder Beteiligte einfinden kann. Das erfordert aber Disziplin, gerade wenn Scrum erst eingeführt wird. Alte Arbeitsweisen legt man nicht von heute auf morgen ab und an neue muss man sich erst gewöhnen. Scrum selbst ist ein Prozess, der stetig besser wird.

Die Kernkomponente von Scrum sind die sogenannten Sprints: Zeitabschnitte bestimmter Länge (maximal vier Wochen). Innerhalb eines Sprints wird eine Iteration eines Inkrements erstellt. Verständlicher: Eine Entwicklungsstufe eines Bestandteils des Gesamtprojekts wird in einem festgelegten Zeitraum erledigt. Danach folgt der nächste Sprint. Gewissermaßen ist jeder Sprint ein kleines Projekt, das Planung und Zielsetzung, Umsetzung und Evaluierung beinhaltet. Für das Gesamtprojekt ergibt sich so der Vorteil, dass es schrittweise fertig gestellt wird und einer regelmäßigen Kontrolle unterliegt. Anpassungen können nach jedem Sprint vorgenommen werden. Das Projekt bleibt flexibel und kann dynamisch auf eventuelle Änderungen der Rahmenbedingungen reagieren, statt nur zu versuchen diese einzudämmen. Der Umgang mit Veränderungen ist somit konstruktiv.

Zum Projektmanagement wird Scrum durch seine Rollen im Projektteam. Davon gibt es gerade einmal drei: Scrum Master, Product Owner und Entwicklungsteam. Jeder Rolle sind Aufgaben und Kompetenzen zugeschrieben, die es einzuhalten gilt. Sonst funktioniert Scrum nicht (auch deshalb ist es so schwer zu meistern). Hält sich aber jeder an seine Rolle entwickelt sich ein enorm leistungsfähiges und selbstorganisiertes Team, das auch komplexe Projekte erfolgreich umsetzen kann.

Effiziente Zettelwirtschaft: Kanban

Kanban ist kein Management-Framework wie Scrum. Es gibt keine Rollenverteilung oder ähnliches. Kanban ist eine Methode zur ständigen Verbesserung eines Arbeitsprozesses und eignet sich sowohl für Teams, als auch für den Einzelnen. Damit ist es ideal, um eingesetzt zu werden, wenn kleine Projekte bearbeitet werden. Auch wenn nicht sofort weitreichende und umfassende Änderungen am bestehenden Projektmanagement vorgenommen werden sollen kann es als Ergänzung verwendet werden, um eine agile Komponente zu integrieren. Es wird auch gerne eingesetzt, um Scrum Sprints zu organisieren. Wie also funktioniert Kanban?

Kanban stammt ursprünglich aus der Fertigung in Produktionsketten. Um Überproduktion und Mangel von Zwischenerzeugnissen zu vermeiden und Lagerbestände zu reduzieren, signalisiert ein Produktionsschritt dem vorhergehenden nach zu produzieren, sobald der Bestand unter eine definierte Grenze fällt. Das Resultat ist eine Just-in-Time-Produktion: alles ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das funktioniert über Signalkarten (das bedeutet „Kanban“) oder elektronische Systeme. In der produzierenden Industrie wird Kanban entsprechend seit Jahrzehnten eingesetzt. Auf agile Projekte lässt es sich jedoch nicht eins zu eins übertragen, schließlich sind nicht alle Projekte Fließbandproduktionen. Einige Prinzipien können aber übernommen werden und bilden die Form von Kanban, die außerhalb der Fertigung verwendet wird. Diese grundlegende Unterscheidung sollte man also immer im Hinterkopf behalten, wenn man von Kanban redet: Produktions-Kanban und Projekt-Kanban (wenn in diesem Beitrag von Kanban die Rede ist, ist Projekt-Kanban gemeint).

Flow und Pull: Immer genau richtig

Zwei Prinzipien des Produktions-Kanban lassen sich auf Projekte anwenden: Zum einen der Flow, das gleichmäßige Durchlaufen der Prozessschritte und zum anderen das Pull-Prinzip, über das sich Mitarbeiter selbstständig mit neuen Aufgaben versorgen.

Am bekanntesten ist wohl die Visualisierung im Kanban: Auf einer Tafel werden Zettel angeheftet, auf denen Aufgaben notiert sind. Sie sind dort in mindestens drei Spalten organisiert und durchlaufen diese: Zu erledigen, in Arbeit, Erledigt. Idealerweise wird „in Arbeit“ in mehrere Arbeitsschritte untergliedert, um den Prozess genauer verfolgen zu können. Schon dieses simple Visualisieren des Ist-Zustandes offenbart meist Probleme.

PM_Kanban
Ein simples Kanban-Board: In Arbeit dürfen hier nur zwei Aufgaben sein. Dann läuft’s.

Oft stauen sich die Zettel an einem Arbeitsschritt oder es zeigt sich, dass Mitarbeiter an sehr vielen Aufgaben gleichzeitig arbeiten. Hier setzt ein Grundgedanke von Kanban an: Limitierung. Um Staus zu verhindern, wird die Anzahl der Aufgaben, die sich „in Arbeit“ befinden dürfen beschränkt. Jedes System hat eine Kapazität an Aufgaben, die es tatsächlich abarbeiten kann. Wird die Kapazität überschritten gerät das System ins Stocken.

Erst wenn eine Aufgabe erledigt ist darf eine neue begonnen werden. Dann sind Kapazitäten frei und es werden keine Engpässe und Überlastungen entstehen. Dabei werden neue Aufgaben nach dem Pull-Prinzip angenommen: Mitarbeiter wählen eigenverantwortlich ihre nächste Aufgabe aus. Das erfordert Vertrauen, führt aber zu einer nachhaltigen Arbeitsgeschwindigkeit, Motivation und damit Qualität des Ergebnisses. Das Wesentliche an Limitierung und Pull-Prinzip ist, dass es im Arbeitsfluss nicht um die maximale Auslastung der Mitarbeiter, sondern um den Durchsatz bei hoher Qualität geht. Hier entfaltet Kanban auch sein agiles Potential: Aufgaben können im Arbeitsfluss neu priorisiert werden, um sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.

Schritt für Schritt wird in Kanban abgearbeitet und ebenso kontinuierlich verbessert. Letzteres nennt sich Kaizen und wird häufig vergessen. Dabei ist es elementar. Die Grundfrage für alle Verbesserungen lautet: Wie kann die Durchlaufzeit einer Aufgabe verkürzt werden ohne die Qualität einzuschränken? Hier ergeben sich oft erstaunliche Ansätze, wie zum Beispiel die Qualität zu erhöhen, da so zeitfressende Nacharbeiten vermieden werden. Das zeigt auch ein Merkmal von Kanban auf: Langfristigkeit. Kanban braucht Zeit bis es beginnt zu wirken. Dann tut es das aber auf Dauer.

Der digitale Arbeitsplatz als Fundament

Kanban und Scrum setzen auf ein iteratives und adaptives Vorgehen: Kontinuierliche Verbesserung des Produktes und Prozesses stehen im Vordergrund. Ebenso arbeiten beide mit eigenverantwortliche und selbstorganisierte Teams. Das erfordert Kommunikation, Informationsaustausch und Zusammenarbeit. Alles Aspekte, die ein Digital Workplace fördert und beispielsweise als Social Collaboration umsetzt. Scrum und Kanban benötigen keinen digitalen Arbeitsplatz, sie funktionieren auch analog, mit Stift und Papier. Das bringt aber einige Besonderheiten mit sich, die zu Einschränkungen werden können. Zum Beispiel die Ortsgebundenheit: Beide Methoden gehen von Teams aus, die am besten im selben Raum arbeiten. Was aber ist, wenn eine Kollegin aus einem anderen Standort für ein Projekt miteinbezogen werden soll? Oder ein Kollege im Home-Office arbeiten möchte? In solchen Fällen können die Technologien eines Digital Workplace enorm hilfreich sein und als Fundament agiler Methoden dienen. Aber auch wenn alle am gleichen Ort arbeiten kann der digitale Arbeitsplatz agilen Methoden eine Basis sein.

Social Collaboration: Eine passende Erleichterung

Zum Beispiel möchten Scrum und Kanban eines reduzieren: Meetings. In kurzen Treffen zu Arbeitsbeginn werden alle Teammitglieder auf den neusten Stand gebracht. Fünfzehn Minuten reichen meist, am besten wird im Stehen geredet, damit sich das Treffen nicht festsetzt und in die Länge zieht. Alles Weitere wird bei Bedarf und direkt geregelt. Um in Kontakt zu bleiben, zu informieren und Fragen zu stellen bieten sich Collaboration-Tools z.B. eines Social Intranets an. Statt Meetings einzuberufen kann hier einfach eine Nachricht oder ein Post in einer Projektgruppe hinterlassen werden. Alle Teammitglieder sind damit informiert und können antworten oder ergänzen. Und zwar wann sie wollen, ohne aus ihrem Arbeitsfluss gerissen zu werden. Neben den kurzen Meetings (Daily Scrums) und der Möglichkeit mit Kollegen direkt zu reden ergibt sich so ein zusätzlicher Weg der Kommunikation ohne eine E-Mail-Flut auszulösen.

Auch Dokumente können in Social-Gruppen einfach und zentral gesammelt und bereitgestellt werden. Das umgeht die Dokumentensuche in verschachtelten Ordnerstrukturen und bietet Übersichtlichkeit. Insbesondere wenn das eingesetzte Social Intranet auch extern und mobil verfügbar ist, zeigen sich die Stärken von Collaboration-Komponenten: Ohne sie bliebe nur die Kommunikation und der Datenaustausch per E-Mail. Nicht, dass E-Mail prinzipiell schlecht wäre. Aber bei viel Kommunikation und kurzen Ja/Nein-Nachrichten ist ein strukturierter Kommentar- oder Chatverlauf schlicht übersichtlicher und einfacher nachzuverfolgen.

Digital und agil, Hand in Hand

Man merkt: Der digitale Arbeitsplatz und agiles Projektmanagement können voneinander profitieren. Der Digital Workplace bietet agilen Ansätzen Mittel und Wege der Zusammenarbeit und eine Digitalisierung ihrer Arbeitsweisen. Aber auch eine Unternehmenskultur, die agilen Methoden entspricht. Diese brauchen ein bestimmtes Umfeld, um ihr ganzes Potential zu entfalten. Der Digital Workplace trägt ein Denken von Selbstorganisation, Anpassung, flachen Hierarchien, Kommunikation und Flexibilität in Unternehmen. Agile Methoden können bestens darauf aufsetzen, Widerstände starrer Unternehmensstrukturen sind schon vermindert oder nicht vorhanden. Und der digitale Arbeitsplatz ist selbst ein agiles Unterfangen: Er wird stetig erweitert und verändert. Ein gutes Vorgehen zur Einführung eines Digital Workplace ist ein schrittweises. Man beginnt mit einem Intranet als Basis und einigen Standardanwendungen. Dann kommen immer mehr hinzu, immer mehr Prozesse werden digitalisiert. So wächst ein Digital Workplace. Immer im Rahmen der Kapazitäten, iterativ und inkremental.


Über den Autor Christoph Herzog

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Christoph Herzog betreibt den Blog www.arbeitsplatz40.de seit Januar 2016. Der Literatur- und Kulturwissenschaftler interessiert sich für die Berührungspunkte von (Arbeits-) Kultur und Technologie: Wie verändert die Digitalisierung unsere Art zu arbeiten? Und welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus?

 

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