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Grandios Scheitern

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Im August 2019 habe ich bei der Organisation (und teilweise der Entwicklung) einer größeren Veranstaltung unterstützt. Vorweg: die Veranstaltung wurde zwischenzeitlich abgesagt, denn es gab zu wenige Teilnehmer. Das hatte viele Auswirkungen auf die beteiligten Menschen.

Es war eine tolle Idee, viele Emotionen, Höhen und Tiefen, ein grandioses Scheitern und Misserfolg (vgl. Wikipedia) und viel Lernen für mich. Aber von Anfang an.

Die Idee

Die Veranstaltung sollte etwas Neues sein. Innovativ, etwas versuchen, Austausch, ausprobieren, nicht nur berieseln lassen, sondern sich auch aktiv mit einbringen können. Anders denken, anders machen, gemeinsam neue Ideen generieren und Wissen teilen – so war es geplant.

Die Veranstaltung an sich findet jährlich statt, bzw. ist daher nicht die erste Veranstaltung dieser Art – diesmal aber unter neuer Leitung. Es sollte anders werden als die Male zuvor. Mit der Planung wurde also Ende 2018 begonnen. Ich war in dieser Planung noch nicht involviert, da ich erst später dazu gestoßen bin. Viel Zeit also, die genutzt werden sollte.

Es wurde geplant, organisiert und mit Menschen gesprochen. Und auch die ersten Probleme sind aufgetreten. Mitarbeitende Menschen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten haben nicht gepasst und sich öfter verändert. Es kamen Menschen hinzu, andere sind gegangen. Wissen wurde verstreut, Verantwortlichkeiten waren nicht klar definiert und Aufgaben sind liegen geblieben. Der komplexe Umfang der Organisation wie beispielsweise etwaige Genehmigungen oder Berücksichtigung von Verordnungen und Vorschriften wurden hintenangestellt. Die Veranstaltung wurde groß geplant und Visionen wurden entwickelt – was auch richtig und wichtig war, denn nur so lassen sich jenseits von vordefinierten Pfaden neue Formate entwickeln. Nur wurde eben dabei das Fundament der Veranstaltung vernachlässigt.

So ging die Planung vor sich hin. Es wurde ein sehenswertes Lineup zusammengestellt, tolle Speaker gewonnen, die Räumlichkeiten gebucht, Ticketpreise definiert und immer weiter mit Menschen gesprochen: mit potentiellen Teilnehmern, interessierten Sponsoren und neugierigen Ausstellern. Und hier war auch das nächste Problem – es wurden bisher nur wenige Tickets verkauft. Wobei das bei Veranstaltungen oft so ist. Allgemein gilt, dass Tickets erst kurz vor dem eigentlichen Event gekauft werden. Zumindest war zu dem gegeben Zeitpunkt so die Annahme. Ein viel größeres und damit auch weiteres Problem waren vergangene Veranstaltungen unter der alten Leitung: die Qualität ging hier immer weiter runter und die Preise (Gewinnmaximierung) gleichzeitig rauf – das bleibt den Teilnehmern natürlich im Gedächtnis. Aber es soll ja diesmal anders und neu werden. Wir bleiben optimistisch, also Kopf hoch!

Die heiße Phase beginnt

Im dritten Quartal bin ich dann mit eingestiegen. Mein Aufgabenfeld sollte eigentlich ein anderes sein. Da es aber bei dieser Veranstaltung brannte, ich innovationsgetrieben bin und wir alle zusammen stehen, war es außer Frage, dass ich unterstütze. Also los, einen Überblick gewinnen und mit Menschen darüber sprechen.

Nebenbei mit CoCreation etwas entwickelt

In den ersten Gesprächen (vorstellen – zuhören – analysieren – verändern) hat sich ergeben, dass ein Teil der Veranstaltung so nicht gebucht werden wird. Es ging um eine Innovationsveranstaltung, die parallel zur eigentlichen großen Veranstaltung stattfinden sollte. Das Feedback, welches ich erhalten hatte, musste erstmal verarbeitet werden.

In einer Nacht und Nebel-Aktion (ok: es war im Hochsommer, es war warm und bis zur dunklen Nacht waren es mindestens noch fünf Stunden) habe ich mit meiner Frau (und meiner ein paar Monate alten Tochter – zugegeben: meine Tochter saß nur da und hat zugeschaut) eine neue Konzeptidee entwickelt und diese am nächsten Tag kurz vorgestellt: von allen Verantwortlichen  als „sehr gut“ betrachtet, ein wenig noch verfeinert und kurzum ins Netzwerk getragen. Das Feedback von angesprochenen Unternehmen und Menschen dazu war auch extrem gut (und hat mich natürlich sehr gefreut! Mit teilnehmenden Menschen sprechen und gemeinsam etwas entwickeln funktioniert einfach sehr gut!).

Es sind aber leider (und zurecht) auch die ersten Fragezeichen aufgetreten: bis zur Veranstaltung waren es nur noch sehr wenige Monate – ist da genug Zeit sich als teilnehmendes Unternehmen Gedanken zu machen, Budget freizumachen und die geeigneten Mitarbeiter dazu zu gewinnen? 

Das Thema Zeit rann uns hier sprichwörtlich durch die Finger. Unternehmen wollten das Konzept verstehen, sich Gedanken dazu machen und dann entscheiden. Konzepte wurden (weiter) entwickelt, erläutert, neue und attraktive Themen (Hackathon, SCRUM KITCHEN, UX-Beratung, uvm.) kamen hinzu – rundum eine gelungene Sache. Aber die Zeit war und blieb definitiv ein sehr großes Problem.

Es kam immer wieder zu Verzögerungen durch das Tagesgeschäft und andere Themen bei Unternehmen. Das war abzusehen, natürlich und verständlich, denn es war bisher nichts geplant gewesen.

Und so kamen auch immer wieder Absagen.

Parallel gab es auch von den Ticketverkäufen für die Besucher keine guten Nachrichten: es lief sehr stockend (trotz eines professionellen Callcenters, Vertrieb und Marketing).

Es geht weiter

In einer kleinen Sonntagssession wurden die Fakten zusammengetragen und überlegt, wie darauf zu reagieren sei. Es wurde beschlossen, dass das Konzept der beiden Bereiche in einen Bereich zu integrieren am besten sei (Feedback der Aussteller und getragen durch Marketingmaßnahmen). Das hatte nun auch Auswirkungen auf die gesamte Dynamik und Ausrichtung. Die Preise für die Tickets wurden angepasst, neu aufgelegt und neue Maßnahmen wurden festgelegt (bspw. noch mehr Marketing und Telefonakquise).

Die Ticketverkäufe haben zwischenzeitlich ein wenig angezogen – ein kleiner Lichtblick.

Das Konzept der Innovationsveranstaltung war nun aufgrund der „Sonntagsdiskussion“ in den Hauptteil der Veranstaltung integriert worden, sodass sich meine Arbeit eher auf Social Media konzentriert hat. Mein Netzwerk hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt bereits toll unterstützt und ich bin hier sehr dankbar dafür! Das muss definitiv auch mal gesagt werden: Danke!

Es neigt sich dem Ende entgegen

Die Veranstaltung war nur noch wenige Wochen entfernt. Die Ereignisse überschlugen sich. Marketingmaterialien wurden erstellt, die Homepage erneuert, Videos gedreht, mehr Social Media eingestreut, die Telefonakquise lief, Empfehlungspartner für Besucher wurden angeschrieben – aber insgesamt passierte dafür zu wenig. Teilweise durch eine gewisse Unschärfe in der Ansprache, teilweise durch zu viel Verwaltung.

Zahlreiche Probleme waren ausschlaggebend: Materialien wurden zu spät erstellt, die Homepage war zu unübersichtlich und auch die Inhalte hätten spitzer formuliert sein müssen. Das alles fiel so langsam extrem auf. Der Druck wurde aufgrund der Zeit immer höher – machte es also insgesamt nicht einfacher.

Zeit für Entscheidungen

Die Veranstaltung ist schon so nah – und die Ticketverkäufe sind nicht so vorhanden, als dass man eine qualitative Veranstaltung durchführen könnte. Es werden kostenfreie Tickets angeboten, aber auch hier kommt wenig positives Feedback (Zeitmangel). Ist die Art von Veranstaltung richtig?

Ich merke, wie mein Bauch sich stark bei mir meldet und sagt: wenn die Qualität nicht gewährleistet werden kann, dann sollte die Veranstaltung vielleicht gar nicht erst stattfinden?

So ist dann auch an einem Dienstag meine Empfehlung an den Projektverantwortlichen.

Es wird im Projektteam diskutiert. Und entschieden: die Veranstaltung wird abgesagt. Es macht sich eine gewisse Erleichterung breit. Aber es wurden auch bisher viele Federn gelassen. Die finanziellen Mittel sind knapp geworden, Mitarbeiter wurden weniger und Menschen haben sich verausgabt.

Objektive Sicht

Man kann nun objektiv darauf schauen, sehen, dass es eine Vielzahl an Problemen und Fehlern gab. Das auf einzelne Menschen herunter zu brechen wäre nicht nur ungerecht, sondern auch fatal. Wir waren Menschen, die eine Idee hatten. Dabei uns teilweise von zu viel Optimismus immer wieder gegenseitig anstecken lassen haben und dadurch die Fakten und Zeichen nicht mehr gesehen haben.

Wir wollten eine großartige Veranstaltung für Menschen kreieren und dabei sind Menschen und Freunde auf der Strecke geblieben.

Es wurde Zeit vergeudet, falsche Entscheidungen oder manchmal auch eben keine Entscheidungen getroffen. Zeit war immer ein limitierender Faktor – es gab zu wenig und es wurde zu knapp geplant: wir hätten mehr Zeit benötigt.

Auch müssen wir uns im Nachgang die Frage stellen, ob die nachträglichen Konzeptveränderungen und Anpassungen sinnvoll waren – hätten wir hier vielleicht etwas streichen sollen? Es so zu belassen wäre nicht gegangen, aber sich nur auf die Hauptveranstaltung zu konzentrieren, das wäre sicherlich noch möglich gewesen.  Durch diese Veränderung mussten wir Zeit in neue Materialien stecken und es gab dadurch auch Unklarheiten in der Kommunikation.

Menschen wurden mit den falschen Aufgaben beschäftigt und teilweise damit blockiert. Im Marketing gab es verschiedene Personen, manchmal auch gar keine Verantwortung – dadurch fehlte der rote Faden. Im Vertrieb wurden Maßnahmen ergriffen, die Monate vorher (vielleicht) funktioniert hätten. Aber es war zu spät. Und es gab keine definierte Exitstrategie. Es gab keine Deadlines, an denen jeweils eine Entscheidung hätte getroffen werden können.

Damit wurde eine Verkettung von Fehlern, Missständen, der Vergangenheit und auch dem puren Willen zur Durchführung der Veranstaltung schlussendlich zu ihrem Scheitern.

Daraus lernen

Nun liegt es an uns daraus zu lernen. Dadurch können wir Freundschaften vielleicht nicht mehr reparieren, Menschen nicht mehr ins Unternehmen zurückholen und haben bestimmt auch Vertrauen eingebüßt. Genau das muss aber nun der Antrieb sein, um daraus zu lernen. Es fängt bei jedem Einzelnen an und muss dann auch in der Organisation eingebracht werden. Gab es auch Erfolge? Ja, auch die gab es. Auch darüber kann man sprechen. Aber die Misserfolge sollten nun federführend dazu genutzt werden, dass dies nicht nochmal passiert.

Scheitern ist nicht schön, niemals! Es tut weh.

Stefan Wickenhäuser

Ich für meinen Teil habe viel gelernt. Ich weiß wieder mehr was ich will und was ich nicht will. Ich weiß nun, dass ich nicht nochmal in die Organisation einer Veranstaltung in diesem Ausmaß involviert sein will. Gerne als Ideengeber, aber nicht so tief mitten drin im Geschehen. Ich weiß aber auch, dass ich viel mitnehmen werde. Und genau das kann ich nur jedem raten, darum schreibe ich diese Zeilen hier: scheitern ist nicht schön, niemals! Es tut weh. Aber es kommt jetzt auch ein Lichtblick: jetzt geht es daran, aus dem Vergangenen zu lernen. Die gemachten Fehler nicht zu wiederholen. Nach vorne zu blicken. Im Sport hört man oft, dass man nach einer Niederlage erstmal analysieren müsse. Das stimmt und ist richtig. Und auch das sollte man sich selbst zugestehen.

Eine Analyse betreiben, prüfen, was gut und was schlecht war. Die Fehler im Detail betrachten und sich anschauen, wie man diese zukünftig bei gleichen oder ähnlichen Situationen verhindert. Oder sich dieser Situation des Scheiterns wieder bewusst wird und gemachte Fehler diesmal vermeidet.

Das heißt nicht, dass man nun nichts mehr wagen und probieren sollte. Bei dem nächsten visionären Anlauf weiß man nun aber, welche Fehler und Probleme es geben kann. Man macht nun vielleicht neue und andere Fehler. Man hat nun aber ein wenig Erfahrung gesammelt und weiß, welche man nicht mehr machen sollte.

Die letzten Wochen waren emotional und mental nicht toll. Allen Menschen, die hier beteiligt waren, geht es wahrscheinlich ähnlich. Ich hoffe nun für alle, dass es (wie für mich auch) eine wichtige und lehrreiche Erfahrung war. Dadurch wurde ich mir – und das wünsche ich mir für alle Beteiligten – wieder der für mich relevanten und wichtigen Themen bewusst. Die Erfahrung und das bewusste Erleben des Scheiterns wird mir eine Lehre sein.

Es musste versucht werden, denn wenn wir das nicht probiert hätten, hätten wir eine Chance verpasst. Und ab und an muss man etwas wagen – da gehört dann aber auch ein Scheitern mit dazu. Allein aus diesem Grund war es eine richtige, wichtige und sinnvolle Erfahrung.

Auch muss man über Fehler sprechen können. Eine sinnvolle Fehlerkultur ist hier ausschlaggebend. Denn aus Fehlern lernt man bekanntlich. Und es gehört zu einem Leben dazu.

Und in ein paar Wochen werde ich wahrscheinlich zurückblicken, mein Glas erheben und an die Erfahrung zurückdenken. Mit einem Lachen aber auch mit einer Träne aller Verluste im Auge.

*** Prost ***

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