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Schwule Blutspende – Nein Danke!

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Habt ihr in eurem Leben schon einmal Blut gespendet? Eine gesellschaftlich ehrenwerte und medizinisch absolut wichtige Handlung, die im Zweifel Leben retten kann. Das Deutsche Rote Kreuz ruft jedoch immer wieder dazu auf, mehr Blut zu spenden. Denn aktuell gehen nur knapp 3% der deutschen Bevölkerung regelmäßig zur Blutspende und können damit nicht annähernd den Bedarf deutscher Kliniken decken, gerade bei seltenen Blutgruppen.

Mehr Blutspenden benötigt

Umso absurder erscheint es in diesem Zusammenhang, dass bestimmte Menschen quasi von der Blutspende ausgeschlossen werden beziehungsweise nur unter erschwerten Bedingungen an dieser teilnehmen dürfen. Auf Grundlage der Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen werden insbesondere Männer, die innerhalb der letzten 12 Monate Sex mit Männern hatten – sogenannte MSM – pauschal von der Blutspende ausgeschlossen. Dazu zählen neben homo- und bisexuellen Männern ebenso transsexuelle Personen. Ihnen wird faktisch aufgrund ihres angenommenen Sexualverhaltens ein erhöhtes Übertragungsrisiko bestimmter Infektionskrankheiten wie u.a. HIV oder Hepatitis unterstellt.

Noch bis 2017 wurden homosexuelle Männer ebenso wie männliche und weibliche Prostituierte sowie Heterosexuelle mit häufig wechselnden Sex-Partnern kategorisch von der Blutspende ausgeschlossen. Die sexuelle Orientierung stellte damit explizit Schwule unter Generalverdacht. Die Argumentation war klar: Schwul gleich potenzielles HIV-Risiko. Wenngleich die Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut diese Richtlinien inzwischen überarbeitet hat und MSM nun 12 Monate nach dem letzten sexuellen Risikoverhalten Blut spenden dürfen, so empfinde ich dies weiterhin als klare und offenkundige Diskriminierung.

Diskriminierende Blutspende-Richtlinien

Mein Empfinden, liest man sich die Stellungnahme des Robert Koch Instituts (RKI) zur Rückstellungsfrist für MSM zur Blutspende durch, wird sofort relativiert. Die Entscheidung diene einzig und allein dem Schutz der Empfänger der Blutspende und basiere auf klaren statistischen Fakten und stelle folglich keine Diskriminierung dar. Schauen wir uns die Zahlen doch mal genauer an: Laut RKI gab es Ende 2018 knapp 88.000 HIV-Infizierte in Deutschland, was gemessen an der Gesamtbevölkerung von 83 Millionen Einwohnern etwa 0,1% entspricht.

Betrachtet man die 88.000 HIV-infizierten Personen genauer, sind de facto 54.200 von ihnen Männer, die sich durch ihr Sexualverhalten mit anderen Männern infiziert haben. Demzufolge scheint die Argumentation der Bundesärztekammer belegt und gerechtfertigt zu sein, da sich vorrangig homo-, bi- und transsexuelle Männer mit dem HIV-Virus anstecken. Doch leben in Deutschland insgesamt gut 4,4 Millionen Männer, die sich selbst als homo-, bi- oder transsexuell identifizieren, wodurch sich die Zahl der oben benannten 54.200 HIV-Infizierten wieder zu relativieren scheint. Von dieser Teilgruppe nun also auszugehen und diese als Rechtfertigungsbasis für eine Pauschalisierung aller homosexuellen Männer zu nutzen, erscheint mir doch sehr absurd und ganz klar diskriminierend.

Bei mir erweckt es den Eindruck, als würde einzig die sexuelle Orientierung, losgelöst vom tatsächlichen Sexualverhalten sowie der individuellen Lebenssituation der jeweiligen Person, die Grundlage bilden, dieser Personengruppe kategorisch ein entsprechendes Risikoverhalten zu unterstellen. Während das real praktizierte Sexualverhalten bei heterosexuellen Personen durchaus betrachtet wird und anhand dessen eine Risikoeinschätzung und Einstufung für die Blutspende erfolgt, ist dies bei homosexuellen Personen offenbar obsolet, denn hier scheint die Faktenlage eindeutig.

Gleichberechtigung

Und sind wir doch mal ehrlich. Wer bleibt freiwillig ein Jahr enthaltsam, um an dessen Ende Blut spenden zu dürfen? Insbesondere, wenn man sich in einer festen Beziehung befindet oder gar verheiratet ist. Die Beantwortung dieser Frage obliegt jedem selbst. Die Bundesärztekammer hat sich hingegen bereits selbst eingestehen müssen, dass sexuell aktive MSM faktisch von der Blutspende ausgeschlossen sind und eine Vereinbarkeit von aktivem Sexualleben und der Bereitschaft zur Blutspende damit ausgeschlossen ist. Darf ich es also nun so verstehen, dass ein heterosexueller Mann in einer festen Beziehung fröhlich und frei sein Sexualverhalten ausleben darf und zeitgleich ohne große Hürden Blut spenden kann, denn er handelt nun ja offensichtlich deutlich verantwortungsvoller. Dem homosexuellen Mann aber demgegenüber nicht selbiges zugetraut wird? Das hat mit Gleichstellung nur noch sehr wenig zu tun. Denn auch homosexuelle Männer führten und führen heute ebenso monogame Beziehungen und Ehen und fühlen sich Werten wie Treue und Zusammengehörigkeit gleichwohl verbunden. Mein Wunsch wäre, dass ungleich der sexuellen Orientierung eines Menschen, jeder auf Basis seines tatsächlichen Sexualverhaltens als Risikoperson für eine Blutspende eingestuft wird.

Zeit für Veränderung

Das es alternative Möglichkeiten und Modelle gibt, stellen bereits andere Länder gekonnt unter Beweis. Fakt ist, dass mit den heutigen medizinischen Verfahren eine HIV-Infektion bereits sechs Wochen nach dem letzten Risikoverhalten diagnostiziert werden kann. Und dennoch halten wir an einer pauschalen Rückstellung von 12 Monaten in Deutschland fest. Blicken wir auf Länder wie Großbritannien oder Kanada gelten hier Rückstellungsfristen von nur drei, in Dänemark und Frankreich von vier Monaten. Einen Anstieg der HIV-positiven Blutspenden wurde seit Einführung dieser Regelung nicht festgestellt. Andere Länder wie beispielsweise Italien, Spanien oder Portugal ziehen hingegen das konkrete Sexualverhalten und nicht die sexuelle Identität einer Person als Zulassungsgrundlage heran.

An diesen Beispielen zeigt sich, es gibt praktikable und weniger diskriminierende Verfahren, die zeitgleich die statistische Faktenlage berücksichtigen und Spender wie Empfänger gleichermaßen schützen können. Eine Anpassung ist überfällig und ein enorm wichtiger und weiterer Schritt zur Gleichberechtigung queerer Menschen in Deutschland. Denn Fakt ist: Unser Blut kennt keine sexuelle Identität und kann Leben retten.

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