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Von Schneebällen und Pyramiden

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Vorwort

Ich habe noch nie ein Vorwort geschrieben. Diesmal halte ich es für sehr wichtig, da ich in Diskussionen merkte, wie polarisierend (Glaube!) es bei diesem Thema werden kann. Mir geht es hier auch nicht um Pauschalisierung oder Stigmatisierung. Ich schildere hier meine Erlebnisse – angereichert um weitere Informationen, da das Thema sehr komplex ist: Mir geht es darum, dass man verschiedene Sichtweisen einnimmt, ein Bewusstsein für Alternativen entwickelt und für sich selbst entscheidet, was sinnvoll und nutzbar ist und was nicht.

Netzwerk-Marketing

In diesem Beitrag geht es um Netzwerk-Marketing, auch bekannt als MLM (Multi-Level-Marketing), Empfehlungsmarketing, Strukturvertrieb, Direktvertrieb, Ponzi-System, Schneeball- oder Pyramidensysteme. Der Einfachheit halber verwende ich die Abkürzung “MLM” – sofern der Inhalt nichts anderes fordert (dazu später mehr).

In meinem nahen Umfeld hatte ich sehr negative Erfahrungen sammeln müssen. MLM ist sehr polarisierend und Menschen, die sich damit beschäftigen und aktiv damit arbeiten, glauben an ihr Produkt. Was dann natürlich auch mit allen Vor- und Nachteilen verbunden ist.

Aufbau

Prinzipiell handelt es sich bei MLM um eine Spezialform des Direktvertriebs. Der große Unterschied dabei ist, dass dieser Direktvertrieb nicht bei einem Unternehmen angestellt ist, sondern auf eigene Rechnung aktiv wird.

Pyramide

Ein Direktvertriebspartner hat mich in einem persönlichen Gespräch darum gebeten, dass ich MLM auch “Direktvertrieb” nenne. Es ist durchaus bewusst, dass hier die verschiedenen Bezeichnungen, gerade auch mit den illegalen “Schneeball- und Ponzi-Systemen” zu Missverständnissen führen können.

Eine Besonderheit im MLM ist, dass die externen Direktvertriebspartner oft (nicht zwingend!) dazu angehalten werden, neue Kunden als Vertriebspartner aktiv zu gewinnen, die dann wieder weitere Kunden bzw. Direktvertriebspartner anwerben. Das ergibt dann das oft verwendete Bild der Pyramide: an erster Stelle wirbt eine Person eine andere an, diese wirbt wieder welche an, und so weiter und so fort. Dabei können diese Direktvertriebspartner als Kunden aktiv sein und eben auch gleichzeitig die Produkte weiterverkaufen. Da oft MLM-Unternehmen ihren Direktvertriebspartnern (teils sehr) hohe Prämien für das Anwerben von neuen Direktvertriebspartnern gewähren, ist schnell eine Nähe zu verbotenen Schneeballsystemen vorhanden. Es hängt von der genauen Ausgestaltung des Systems ab, ob die Werbung von Neukunden/Direktvertriebspartnern oder der Produktverkauf im Vordergrund steht. (Quelle: “Wikipedia“).

Vergütung

Die Vergütung ist in aktive und passive Posten aufgeteilt:

  • aktives Einkommen wird durch den direkten Verkauf an die Kunden generiert
  • passives Einkommen durch die Verkäufe der neu gewonnen Direktvertriebspartner

Grundlage

In Deutschland ist MLM prinzipiell legal, wenn es nicht gegen Nr. 14 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG verstößt, also nicht den Eindruck vermittelt, allein oder hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System könne eine Vergütung erlangt werden (Quelle: “Wikipedia“).

Produkte und Unternehmen

Es gibt zahlreiche Beispiele dieser Art des Vertriebs. Hier nur eine kleine Auswahl (Disclamier: die genannten Unternehmen werden nur zur Veranschaulichung genannt; es handelt sich hierbei um keine Werbung. Ich erhalte hier keine Unterstützung oder sonstige Zuwendungen!):

  • Fast jeder Mensch hat davon etwas zuhause: Tupperware
  • Kann man benutzen: Vorwerk mit dem Produkt Thermomix
  • Kosmetik: Mary Kay
  • Gerne wird es für Finanzprodukte verwendet: Deutsche Vermögensberatung
  • Kochen: AMC (Töpfe/Kochgeschirr)
  • Finanzen: Ergo (Versicherungen)

Die Liste ließe sich noch unendlich weiter führen. Prinzipiell lässt es sich auf folgende Gruppen aufgliedern:

  • Kosmetik, Körperpflege und Accessoires
  • Haushalt
  • Vitamin-, Diät- und Nahrungsergänzungsmittel
  • (Finanz-) Dienstleistungen und Verschiedenes
  • Freizeit, Bücher und Spielwaren

Vorteile und Hintergrund

Für Unternehmen:

Unternehmen benötigen keinen internen Vertrieb. Die laufenden Kosten für Personal entfallen somit. Dabei ist aber zu beachten, dass externer Vertrieb nicht disziplinarisch belangt werden kann. Auch ist eine Steuerung des Kanals schwieriger, da die externen Vertriebspartner selbstständig und auf eigene Rechnung agieren.

Positiv fällt dabei meistens auf, dass die Vertriebspartner zu Fans werden und das Produkt entsprechend vermarkten werden. Sie sind also davon überzeugt und tragen dies so nach außen. Damit haben sie auch eine gewisse Beratungsposition inne.

Für Teilnehmer MLM:

MLM-Teilnehmer tragen dagegen das wirtschaftliche Risiko, da ihre Entlohnung ausschließlich vom direkten Verkaufserfolg und von ihren zugeordneten Vertriebspartnern abhängt.

Die Direktvertriebspartner sind meistens sehr vom Produkt überzeugt – sie nutzen es selber, können Tipps geben und kennen sich damit sehr gut aus.

Eine interessante Aussage von einem Vertriebspartner war mir gegenüber, dass man gerne Produkte empfiehlt, von denen man ja auch überzeugt ist. Und dafür erhält man dann ein “Danke” von dem Unternehmen (in diesem Fall eben ein finanzielles Danke).

Die andere Seite der Medaille

Wie eingangs erwähnt, gibt es auch eine andere Seite der Medaille. MLM ist prinzipiell legal – aber es gibt eben auch eine illegale Seite. Diese Modelle werden dann Schneeball oder auch Ponzi-Schema genannt (Wikipedia). Genau mit solchen hatte ich in meinem Netzwerk zu tun.

Es ist einfach illegal

In meinem Fall ging es um das Thema Geldanlage und Altersvorsorge (ich habe zwei unterschiedliche Systeme kennen lernen dürfen). In dem einen Fall wurde (gutgläubigen) Menschen als Produkt eine Kryptowährung verkauft. Verkauft heißt, dass Menschen ein entsprechendes Paket kaufen sollten (damit sie als Vertriebspartner aktiv werden können um passives Einkommen zu generieren). Zudem war das Produkt an sich nicht vorhanden, sodass Gelder von Kunden investiert, diese aber im Hintergrund abgeschöpft wurden. Es wurde also bewusst betrogen.

Am Anfang der Pyramide hatte es noch sehr gut funktioniert: Menschen kamen noch weiterhin an ihr Geld – umso später es aber wurde, umso mehr und mehr ist es in sich kollabiert und die investierten Gelder waren weg. Bis heute wird aber erzählt, dass man noch an das Geld kommen wird – es gibt nur technische Probleme bzw. bereitet man gerade große nächste Schritte vor.

Das Problem bei den Vertriebspartnern ist dann, dass sie so darin gefangen sind, dass sie sich der Wahrheit verschließen. Sie haben von Anfang an an ihr System geglaubt und dieser Glaube verhindert eine objektive Sicht.

Im zweiten Fall ging es ebenfalls um Geldanlage. Diesmal um eine Plattform zum Handel von digitalen Währungen. Das Geschäftsmodell ist undurchsichtig, die Firma im Hintergrund wurde im Ausland angemeldet und auch hier wird immer wieder von Auszahlungsproblemen berichtet.

Durch solche Betrugsszenarien erleidet MLM einen sehr negativen Ruf.

Mein Fazit

Prinzipiell hat MLM bei vielen Menschen einen faden Beigeschmack. Dies liegt oft daran, dass man ein Produkt empfohlen bekommt und weiß, dass die empfehlende Person dafür Geld bekommt. Das hinterlässt unterbewusst einen Eindruck des “wird nur empfohlen, weil die Person dafür etwas erhält oder weil sie wirklich von dem Produkt überzeugt ist?”. Auf der anderen Seite kann man bei greifbaren Produkten diese auch oft direkt beim Hersteller kaufen – Beratung erhält man aber erst durch einen Direktvertriebspartner. Somit bezahlt man hier durchaus für die Beratung – was durchaus ein fairer Ansatz ist.

Wenn Unternehmen solch ein Modell wählen wollen, kann dies durchaus sinnvoll und begründbar sein (bspw. bei Naturpflegeprodukten). Dann gilt aber eine maximale Transparenz in allen Bereichen, damit Vertrauen zu Endkunden bestand hat und alle Beteiligten eine Freude an den Produkten entwickeln können. Ohne diese glaub- und wahrhafte Transparenz wird man immer Zweifel hegen. Denn die schwarzen Schafe dominieren leider oft diesen erwähnten “faden Beigeschmack”.

Auch Vertriebspartner sollten sich dessen bewusst und immer offen und transparent sein. Gespräche mit Vertriebspartnern haben mir genau das auch gezeigt. Ich wurde gut abgeholt, es wurde offen umgegangen und auch über Probleme gesprochen. Ein Vertriebspartner erzählte mir, dass er nur Produkte von verschiedenen Unternehmen im Sortiment hat, die zusammen passen. Und er will nur Produkte die fühl- und greifbar sind. Diese lassen sich erläutern und dazu könne er dann auch stehen. Und er sei selbst habe im Bereich Finanzprodukte schon mal Lehrgeld zahlen müssen.

Persönliches Schlusswort

Die Grenze zwischen legal und illegal, zwischen seriös und unseriös, ist sehr eng und manchmal nicht klar erkennbar. Mir persönlich fiel auf, dass Menschen, die im MLM aktiv sind, sehr an ihr Produkt glauben. Dies ist auf der einen Seite sehr wichtig. Auf der anderen Seite kann dies auch bedeuten, dass andere Meinungen nicht zugelassen sind. Auch dies hatte ich, meistens bei den illegalen Systemen, immer wieder erlebt.

Das große Problem im MLM ist eben, dass durch die externen Direktvertriebspartner eine rechtliche Geltendmachung schwierig sein kann. Dies lässt einfach Schlupflöcher für illegale Systeme zu. Dadurch wird aber die gesamte MLM-Branche in Mitleidenschaft gezogen. Auch die schwarzen Schafe im legalen Bereich sind nicht förderlich (ich selbst wurde mehrfach angesprochen um für einen großen Finanzdienstleister aktiv zu werden und viel Geld zu verdienen – das hat nichts mit dem überzeugt sein von einem Produkt zu tun!). Daher ist, bei maximal gelebter Transparenz, MLM durchaus eine Option für alle Beteiligten. Als Kunde sollte man aber immer wachsam sein und Fragen stellen – und Antworten erhalten.

Ein abschließender Gedanke: wozu zählen eigentlich Influencer*innen auf sozialen Kanälen?

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