In meinem Umfeld stecken gerade mehrere Menschen in Bewerbungsprozessen (fest).
Was ich dabei erzählt bekomme, erschreckt mich immer wieder. Vor einiger Zeit (Anfang 2019) habe ich bereits einen Beitrag gemacht. Leider auch viel positive Zustimmung dazu erhalten, dass viele Menschen ähnliche Erfahrungen gesammelt haben. Hier geht es noch zu diesem Beitrag.
Referenzen
Im aktuellen Fall ging es um eine kleine Unternehmensberatung, die neue Mitarbeiter sucht. Soweit, so gut.
Der Bewerbungsprozess wurde über einen Headhunter eingeläutet. Nebst Lebenslauf sollte der Bewerber auch noch Referenzen mitbringen. Diese sollten so detailliert wie möglich sein:
- Kunden, namentlich benannt
- Bereich, der umgesetzt wurde
- Projektauftrag- und Umfang
- messbare Ergebnisse
- Referenzkontakt mit Telefonnummer
Warum?
Meine erste Frage war, warum diese denn benötigt werden? Ja, es ist schön für ein Unternehmen, wenn man direkt nachfragen kann, bzw. solche Informationen bekommt. Am besten noch mit einem Führungszeugnis und einer Garantie, dass man am Anfang für die avisierte Position auch die Probezeit bezahlt (Achtung: Ironie).
Natürlich nur ein Scherz. Das „Warum?“ meine ich aber ernst! Wenn ein Unternehmen solche Informationen fordert, die durchaus aus datenschutzrechtlichen Gründen äußerst fragil sind, dann frage ich mich als Bewerber doch, wie das Unternehmen sonst agiert. Im Übrigen ist dies am Anfang des Prozesses geschehen. Nicht am Ende. Wo es vielleicht noch eine Absicherung sein kann. Wobei ich aber auch hier direkt ein Veto einlegen möchte: am Ende eines Bewerbungsprozesses sollte ich mir, egal ob Bewerber oder Unternehmen, sicher sein, ob ich die Person will. Und andersrum natürlich auch!
Altes Bild
Die Annahme dessen zeugt aber leider davon, dass das Unternehmens ein veraltetes Bild eines Bewerbungsprozesses hat. Nicht nur der Bewerber bewirbt sich beim Unternehmen. Auch das Unternehmen bewirbt sich beim Bewerber.
„Das Bild ist einfach antiquiert.“
Stefan Wickenhäuser
Somit ist hier von Anfang an schon keine Augenhöhe vorhanden. Im Gegenteil. Es suggeriert sogar direkt, dass man froh sein sollte, dass man dort eine Position bekommt, bzw. bekommen könnte. Das Bild ist einfach antiquiert.
Umgang damit
Als ich mit der Person gesprochen habe, war mein Rat, doch ebenfalls nach Referenzen zu fragen. Wie hat das Unternehmen seine Projekte abgebildet? Waren die Mandanten zufrieden? Was lief gut und was nicht so gut? Wie ist das Bild?
Das wäre dann Augenhöhe. Ich vermute aber, dass der Bewerber dann raus wäre.
Gehaltsangebot
Parallel habe ich heute mit einer Person gesprochen, die sich ebenfalls im Beratungsumfeld eine neue Herausforderung gesucht hat. Diese Person hatte mehrere Angebote auf dem Tisch und konnte auswählen. Nachdem also bei dem ein oder anderen Unternehmen abgesagt wurde, kamen neue Angebote ins Haus: mehr Gehalt (wir sprechen hier nicht von ein paar hundert Euro!) und andere Annehmlichkeiten (Boni, Auto, etc.).
Vorstellung
Stellt euch doch nun einmal kurz vor, wie es euch damit gehen würde: ihr wollt bei einem Unternehmen anfangen, prinzipiell passt alles, aber ihr sagt, weil mehrere Angebote vorliegen, ab. Nun wird euch signifikant mehr Gehalt geboten. Fühlt ihr euch dann ernst genommen? Fühlt ihr euch wohl? Oder macht ihr euch bei jeder neuen Vereinbarung, bei jeder Verhandlung (egal ob es um Geld oder Inhalte geht) Gedanken, ob es nicht anders gehen könnte?
Es geht dabei nicht um „unter dem Wert verkaufen“. Es geht um dieses bestimmte Gefühl der Ernsthaftigkeit, die da zurückbleibt.
Appell
Liebe Unternehmen, liebe Bewerber: begegnet euch bitte auf Augenhöhe. Sprecht miteinander, tauscht euch aus und findet euch (gut). Oder eben auch nicht. Auch das ist ok. Auf externe Referenzen zu schauen und diese gar einzufordern, oder beim Gehalt zu feilschen wie am Bazar, das kann es heutzutage doch nicht mehr sein.
Denn als potentieller Arbeitgeber steht ihr meist nicht mehr alleine da. Bei anderen Unternehmen steht der Mensch im Mittelpunkt und damit sind auch die Referenzen egal. Ähnliches gilt auch für das Gehalt – wenn die Inhalte passen, man sich auf Augenhöhe begegnet und ein faires Gehalt vorliegt, dann ist doch schon viel getan!
Also bitte, geht aufeinander zu, strafft eure Prozesse und nebenbei, nennt eure Personalabteilung bitte nicht mehr und nie wieder „HR“ – der Mensch ist keine Ressource. Vielen Dank!
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