Die Kunst, Fragen zu stellen

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Vor einigen Monaten begleitete ich ein paar Freunde auf eine Firmenfeier. Einige der dort anwesenden Personen waren mir aus Erzählungen bekannt , mit anderen hatten sich in der Vergangenheit durch private Treffen Berührungspunkte ergeben. So mischte ich mich schnell unter die Leute und fing aktiv das ein oder andere Gespräch an. Das Interessante war, dass fast jedes der Gespräche durch einseitiges Fragen meinerseits und entsprechend ausschweifendes, monologisiertes Antworten meiner Gegenüber einen ähnlichen Verlauf nahm. Vom Frust über den narzisstischen Vorgesetzen, über die Planung eines Eigenheims bis hin zum Beziehungsdrama der unglücklichen Ehefrau erlebte ich ein abwechslungsreiches Programm ausgiebiger Solokünstler, die meine offenen Fragen und mein damit kommuniziertes und Ihnen entgegengebrachtes Interesse als Einladung für ausschweifende Erzählungen annahmen.

Frage, Antwort, Gegenfrage

Anfangs noch sehr interessiert, frustrierte mich dieser sich fortwährend wiederholende Gesprächsverlauf irgendwann, und ich verlor zunehmend das Interesse. Am Ende bestand mein Anteil an den Konversationen nur noch aus einem bestätigenden Nicken, gelegentlichem Murmeln. Ich ertappte mich dabei, wie mein Blick immer wieder abschweifte. Mancher mag jetzt sagen, wie unhöflich dies doch ist. Doch letztlich besteht die Kunst eines jeden Gesprächs am Ende aus Frage und Gegenfrage und den jeweiligen Antworten beider Gesprächspartner. Erst dann entsteht aus meiner Sicht ein wahrhaftiger Dialog und ermöglicht die Änderung von Perspektiven auf ein Thema.

Monolog statt Dialog

Von mir erfuhren meine neuen Bekanntschaften und flüchtigen Gesprächspartner an diesem Abend kaum etwas. Denn Fragen zu meiner Person blieben aus und ich verspürte nicht die Lust, ungefragt etwas von mir zu erzählen. Hinzu kommt, dass eine Frage in meinem Verständnis nicht nur zu den rhetorischen Grundlagen des allseits gepflegten Small-Talks gehört, sondern vielmehr ein Ausdruck von Interesse an der mir gegenüberstehenden Person ist. Sollte ich also nun davon ausgehen, dass keiner der von mir angesprochenen Personen an mir interessiert zu sein schien? Hatte ich mich wohlmöglich aufgedrängt? Eher unwahrscheinlich, denn Situationen wie diese erlebe ich immer wieder: im Freundeskreis, bei beruflichen Treffen, lockeren Partys oder in der Familie.

Wer fragt, der führt

Als Jugendlicher scheute ich selbst vor derartigen Gesprächen zurück, war gehemmt, mich an Konversationen zu beteiligen. Meine Eltern, die nicht zuletzt wegen Ihres Berufs als Journalisten begnadete Kommunikatoren sind, gaben schon sehr früh das Mantra „Wer fragt, der führt“ an mich weiter, welches heute Grundlage jedes Führungs- und Vertriebsseminars ist. Meine notorische Antwort darauf lautete stets: „Aber was soll ich denn fragen?“. Ich begriff erst während des Studiums, wie recht sie damit behalten sollten. Heute fällt es mir nicht weiter schwer, die richtigen Fragen zu stellen und zugleich gefällt es mir, Geschichten und Erzählungen zu lauschen, durch Fragen das Gespräch zu führen und einfach mal zuzuhören. Allerdings hat auch meine Lust zuzuhören ihre Grenzen. Denn wenn mein Gesprächspartner nur von sich erzählt und nichts von mir wissen möchte, verliere ich das Interesse, das Gespräch gerät ins Stocken, bis es sich letztendlich verläuft. Frustrierend!

Fragen bedeutet aktiv zuhören

Nun, vielleicht liegt es einfach an mir, dachte ich. Vielleicht erwecke ich in meinem Gegenüber kein Interesse an meiner Person oder bombardiere sie förmlich mit meinen Fragen, ohne den nötigen Raum für eine Gegenfrage zu lassen. Doch ich bin nicht alleine mit diesem Phänomen, denn auch Bekannte und Freunde berichteten mir von Ihren Erfahrungen mit Menschen, die einfach keine Fragen stellen, selbst dann, wenn bereits eine gewisse Verbindung besteht und man sich vertraut ist. Heißt es nicht, fragen koste nichts? Warum fragen wir dann so wenig und verharren lieber in der Rolle des Erzählers? Bieten sich im Alltag so wenige Gelegenheiten von uns selbst zu erzählen, als dass wir jede Chance die sich uns hierfür bietet, sofort ergreifen. Oder strengen uns Erkundigungen zu sehr an, weil wir uns Gedanken über unser Gegenüber machen und für eine ernsthafte und gelungene Kommunikation zugleich aktiv zuhören müssen? Vielleicht trauen sich viele Menschen aber auch einfach nicht, haben Angst die falsche Frage zu stellen, den Eindruck zu erwecken, sein Gegenüber auszuhorchen, in ein Fettnäpfchen zu treten oder wissen, wie ich damals als Jugendlicher, nicht, was sie überhaupt fragen sollen. Denn schließlich steht im Zweifel vor mir eine mir gänzlich fremde Person. Ich kann nur spekulieren und würde doch gerne eine Antwort darauf finden.

Am Ende ist ein Gespräch ein Geben und ein Nehmen, bei dem jeder dem anderen den nötigen Raum zum persönlichen Story-Telling lassen muss. Die Frage als rhetorisches Mittel kann nicht zuletzt Türen öffnen, bringt Menschen einander näher und schafft Vertrautheit und Beziehungen: romantisch, freundschaftlich, beruflich. Achte doch bei deinem nächsten Gespräch einmal auf deine eigene Rolle, reflektiere dich selbst und solltest du dich dabei ertappen, wie du nur von dir erzählst, so halte inne, lenke deinen Blick auf dein Gegenüber und stelle einfach mal eine Gegenfrage. Du wirst sehen, es wird sich lohnen. In diesem Sinne wünsche ich euch viele inspirierende, aufschlussreiche und gute Gespräche.

Eine Antwort zu „Die Kunst, Fragen zu stellen“

  1. Avatar von Agathe Dabisch
    Agathe Dabisch

    Ganz toller Beitrag! Genau auf den Punkt gebracht, was ich inzwischen (leider) fast täglich erlebe. Schön, dass auch Andere es so sehen! Weiter so, freue mich auf weitere interessante Artikel!

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