Ich war mal wieder mit meiner Tochter joggen. Und leider hat sie dabei das Wort “dumm” kennen lernen dürfen. Es gab eine Situation, die so unnötig war. Es hat mir aber auch klar gemacht, dass genau so etwas oft in Unternehmen passiert. Es ist ein wunderbares Beispiel für die Veränderung von Prozessen und die Auswirkung auf die Kultur.
Die Situation
Wie eingangs geschrieben, waren wir joggen: meine Tochter im Jogger und ich dahinter schiebend (und schnaufend). Wir kamen an eine Kreuzung an einer stärker befahrenen Straße. Unsere Ampel war rot. Neben mir kam ein anderer Jogger an (Alter würde ich auf Mitte 60 schätzen). Wir mussten warten, da eben rot war. Es kamen Autos vorbei (ein Fest für meine Tochter). Als dann keine Autos mehr kamen, die Ampel immer noch rot zeigte, ist der Jogger los gelaufen. Und hat vorher meine Tochter im Jogger und mich angeschaut. Meine Tochter hat also gesehen, wie dieser Jogger bei rot läuft. Ja, es kam gerade kein Auto. Mir ist dann nur rausgerutscht, dass dies eine sehr dumme Aktion war (Wichtig: die Situation und nicht der Jogger!) und man bei rot nicht läuft und man bei rot eben stehen bleibt (so ist unsere Erziehung unserem Kind gegenüber). Das wurde mit dieser Aktion, vor allem aber dem bewussten Handeln des Joggers ad absurdum geführt. Daher kennt meine Tochter nun das Wort “dumm”.
Prozesse
In Unternehmen passieren oft ähnliche Situationen. Dabei werden dann oft bestehende Prozesse wissentlich verändert und individuell angepasst – vielleicht manchmal sogar absichtlich ignoriert. Ich bin ein ein Anhänger davon, Prozesse in Frage stellen, aufzubrechen und neue Prozesse immer mit dem Ansatz “keep it simple” umzusetzen. Genau da ist der Unterschied:
wenn MitarbeiterInnen sich über Prozesse hinwegsetzen und diese eben nicht aktiv und für alle verändern, was hat dann so ein Prozess für einen Sinn?
Auswirkungen
So ein “darüber hinwegsetzen” hat zudem viele Auswirkungen – direkt und indirekt.
Kultur
Wenn sich die mitarbeitenden Menschen in einem Unternehmen über Prozesse hinwegsetzen, dann wird das zu einem kulturellen Thema. Prozesse beschreiben dann nicht mehr einen Vorgang, sondern dienen dann “nur” noch als Richtlinie. Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird damit aufgegeben. Ein Unternehmen kann dann neue Prozesse nur schwer einführen und bestehende verändern? Wozu? Diese dienen ja nur als Anhaltspunkt.
Und genau so wird es sich eben in der Unternehmenskultur manifestieren. Die Auswirkung von Prozessen auf die Kultur wird hier wunderbar ersichtlich. Es hat aber noch weitere Auswirkungen
Menschen
Als der Jogger die rote Ampel passiert hat, hat er eine Regel gebrochen. Meine Tochter hat dies mitbekommen und ich als Erzieher muss ihr nun erläutern, dass dieses über Regeln hinwegsetzen falsch ist. Der Jogger hat damit auch ein wenig meine erzieherische Autorität untergraben und die Regel ohne Rücksprache gebrochen.
Wenn wir dies nun im unternehmerischen Kontext betrachten, was hat das für Auswirkungen auf die verantwortlichen Menschen eines Prozesses? Ein Prozess wird von anderen Menschen bewusst umgegangen und die Verantwortlichen werden nicht einbezogen. Die Autorität von anderen wird damit untergraben. Die Menschen fangen an, sich nicht mehr gegenseitig ernst zu nehmen.
Oft ist so etwas in Workshops zu beobachten: die moderierende Person agiert im besten Wissen und Gewissen und die ein oder andere teilnehmende Person handelt bewusst dagegen – wissentlich, dass es nicht zielführend sein kann. Das ist nicht die beste Voraussetzung für einen Workshop.
Kommunikation
Wenn ein Prozess von einem Menschen umgangen wird und diese Person dies den Verantwortlichen zurückmeldet, getreu dem Motto “Hey Leute, der Prozess passt nicht, weil…!”, ist alles gut. Genau das passiert oft nicht. Und das hat Einfluss auf die Kommunikation in einer Unternehmenskultur. Umgangssprachlich entsteht dadurch der sogenannte Flurfunk: offiziell gibt es einen Prozess, inoffiziell wird dieser aber umgangen – und eben auch so unter der Hand kommuniziert.
Und jetzt?
Natürlich hätte ich dem Jogger hinterherrennen können. Bei rot wollte ich nicht und danach hätte ich schnell sein müssen (es war schon fast am Ende meiner Runde und ich entsprechend kaputt). Was hätte ich dieser Person gesagt? Genau das, was ich hier geschrieben habe.
Im Unternehmen sollte genau das auch getan werden. Mit dem Jogger werde ich nicht zusammen arbeiten, ihn wahrscheinlich auch nie wieder sehen! Im Unternehmen arbeiten Menschen immer wieder zusammen. Genau deswegen müssen diese Themen offen angesprochen werden. Dadurch können Prozesse und in der Auswirkung auch die Kultur verändert werden! Die Auswirkungen sind spürbar und nicht außen vor zu lassen!
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