Vor Kurzem habe ich mich mit einer Bekannten über ERP- und CRM-Projekte ausgetauscht. Sie arbeitet für ein Unternehmen, welches gerade in einem Softwareauswahlprozess für CRM-Software steckt. Dabei hat sie mir ein wenig über das Projekt erzählt und auch darüber, wie Anbieter für CRM-Software vorgehen. Ich selbst habe in diesem Bereich einmal gearbeitet – was mich erschreckt ist, dass sich einfach nichts geändert hat.
Prozesse
Softwareprodukte wie CRM, ERP und DMS sind dazu da, um Prozesse digital abzubilden. In diesem Fall passiert genau das: CRM wird eingesetzt, um einen digitalen Prozess abzubilden. Jetzt kommt das große “Aber”:
Einen Prozess digital abzubilden bedeutet, dass ich am Anfang den Prozess verstehen und in Frage stellen muss. Wenn ich ihn nur digital abbilde, ohne etwas daran zu verändern, dann kann es gut gehen. Kann heißt, dass Unternehmen einen Prozess digitalisieren wollen, um etwas anders/besser zu machen. Und genau das passiert in diesen Projekten so dann nicht.
Wie wird vorgegangen?
In dem konkreten Beispiel erzählte mir meine Bekannte, dass sich jemand von dem IT-Beratungsunternehmen zu ihnen hinsetzt und beobachtet, wie ein Prozess durchgeführt wird. Bis hierhin finde ich es sehr gut. Nur passiert dann ein großer Fehler: der beobachtende Mensch übersetzt den Prozess direkt in das System. Es wird notiert, was im System geändert werden soll, welche Felder benötigt werden und wie die Masken aussehen sollen. Der eigentliche Prozess an sich wird nicht in Frage gestellt.
Fehler
Genau hier liegt der Fehler. Das System bildet später “nur” die bestehenden Prozesse ab. Die Prozesse werden nicht in Frage gestellt, nicht verändert. Die einzige Veränderung ist eben die Einführung eines digitalen anstatt eines analogen Prozesses.
“Es wird also eine gefühlte Veränderung der Prozesse vermittelt”
Stefan Wickenhäuser
Dabei wird viel Geld für die Software und die Anpassungen an das System ausgegeben. Es wird eine Veränderung erwartet. Meist wird erwartet, dass nach der Einführung sich grundlegend etwas verändert, denn man hat sich ja mit den Prozessen auseinandergesetzt. Es wird also eine gefühlte Veränderung der Prozesse vermittelt, die aber eben nur gefühlt ist. Hier trügt der Schein.
Die Menschen im Projekt und die unbeteiligten Personen haben oftmals nach solch einem Projekt ein ungutes Gefühl: das Projekt war nicht richtig gut, aber eben auch nicht richtig schlecht. Egal ob die Einführung durch das IT-Unternehmen hervorragend war – es bleibt oft ein gewisses verhaltenes Gefühl zurück: die groß erwartete Veränderung ist nämlich nicht eingetreten. Interessanterweise sind IT-Unternehmen auch nicht so aufgestellt, dass sie die Prozesse entsprechend verändern können. Es ist auch nicht deren Aufgabe. Hierzu ein Beispiel.
Ein Beispiel: von A nach B kommen
Stellen wir uns vor, dass wir von A nach B reisen wollen. Wenn wir hierzu in ein Autohaus gehen, werden wir nicht mit einem Bahnticket herauskommen. Wir werden mit einem Auto herauskommen. Ich muss also vorher überlegen, welche Möglichkeiten und Optionen es gibt. Wenn ich für einen bestimmten Teil ein Auto benötige, dann kann ich ins Autohaus gehen.
Die Realität
In der Realität passiert aber genau das: ein Vertriebsprozess soll neu aufgesetzt werden, also wird nach einem Unternehmen gesucht, was genau das anbietet. Wenn man nach “Vertriebsprozess“ im Internet sucht, passiert nämlich genau das: es werden IT-Beratungsunternehmen für CRM vorgeschlagen. Beim Beispiel um von A nach B zu kommen, werde ich also an das Autohaus verwiesen. Der Prozess wird nicht in Frage gestellt.
Besser machen
Ich will hier nicht gegen solche IT-Projekte sprechen. Ganz und gar nicht. Ich will dazu ermutigen, dass die Prozesse angefasst und auch wirklich verändert werden! Die digitale Abbildung dieser neu definierten Prozesse ist dann das Ergebnis und kann in den entsprechenden System umgesetzt werden. Dann ist dieses Vorgehen absolut in Ordnung. Es muss aber vor (!) der digitalen Abbildung etwas passieren. Das ist nicht die Aufgabe von den IT-Unternehmen – dies liegt beim Unternehmen selbst und bei externen Menschen, die diese Prozesse verstehen und in Frage stellen können.
Am Ende ist es durchaus ratsam, dass die Prozesse digital abgebildet werden. Dann kann man sich die entsprechenden Unternehmen suchen und mit der Umsetzung beauftragen. Und dann wird es auch am Ende nicht mehr dieses verhaltene Gefühl geben, denn man hat den Prozess wirklich verändert!
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