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Diesel für Kekse

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Persönlich kenne ich diese Aussage schon sehr lange. Ich selbst habe dies schon erleben dürfen. Aber ich dachte auch, dass sie nicht mehr so präsent sei, dass es immer noch Unternehmen und Menschen gibt, die so denken. Leider ist das aber noch so.

Heutzutage ist das Vorgehen nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern auch einfach nur ein ökologisches und ökonomisches Fehlverhalten. Ein kulturelles Desaster, welches von mangelndem Führungswissen zeugt.

Was ist gemeint?

Die Aussage kommt aus dem Vertrieb und hat sich in einer Zeit gebildet, als Unternehmen angefangen haben, den Vertrieb nur nach Zahlen, Daten und Fakten zu beurteilen, bewerten und zu steuern. Meist wurden dann vom Management die zu erfüllenden Vorgaben (Umsatz, Absatz, Deckungsbeitrag, Wachstum, etc.) an die Vertriebsleitung übergeben. Diese hat dann diese Zahlen als Zielerreichung an die Vertriebsmitarbeiter weiter verteilt.

Und diese Verteilung ist dann meistens nicht nach jeweiligem Können, Qualifikation oder sonstiger persönlicher Eignung erfolgt. Das hier der Kunde nicht mehr im Mittelpunkt steht, ist ein Thema, was ich immer wieder betonen muss, werde und will.

Es erfolgte also eine Verteilung der neuen Vorgaben auf die vorhandene Vertriebsmannschaft. 

Jetzt mussten die neuen Ziele natürlich auch überprüft und gesteuert werden. Vor allem mussten Maßnahmen etabliert werden, anhand derer die neuen Vorgaben umgesetzt werden können. Und da kam eine wunderbare Annahme auf, die sich bis heute hartnäckig hält: je mehr Kunden ich besuche, desto mehr Umsatz wird getätigt, bzw. umso mehr Produkte werden verkauft.

Das basiert auf der Annahme, dass ich durch quantitative Termine auch quantitativ mehr Umsatz generiere. Sprich, wer beim Kunden ist, der macht auch Vertrieb.

Somit hat das Vertriebsteam eine neue messbare Kennziffer erhalten: erfolgte Kundentermine pro Woche.

Oft gibt es dann noch erweitere Formen der Kennziffern. Ein beliebtes Beispiel ist dann noch Telefonate oder Angebote pro Woche. Somit wurden Kennziffern geschaffen, die sich nach Quantität richten. Qualität bleibt hier außen vor. Auch gibt es hier keine Aussagen über die Produkte – die Verantwortung wurde an das Vertriebsteam übergeben und nur noch nach den genannten Zahlen bewertet.

Gängige Praxis

Was sich dann aber in der Praxis eingelebt hat, ist relativ einfach und auch logisch. Die Vorgaben wurden an die jeweiligen Vertriebsmitarbeiter weitergeben. Diese waren dann also dazu verpflichtet, Kunden zu besuchen, damit sie ihre Zielvorgaben erreichen können und Anspruch auf ihr variables Gehalt haben (die sogenannte Karotte).

Die Menschen im Vertrieb haben also begonnen, Termine zu vereinbaren. Das gelingt manchmal gut, meistens aber eher schlecht als recht. Was wurde dann also getan?

Es wurden Termine nicht nach Sinn und Verstand ausgemacht. Es wurde danach gegangen, einen Termin einfach und unkompliziert zu bekommen.

Sprich, es wurden Termine vereinbart, auch dann, wenn es gar keinen Grund dazu gibt. Es wurde also ein Termin zum Kaffee trinken und Kekse essen vereinbart. Es wurde also Diesel vom eigenen Firmenwagen dafür aufgewendet um Kekse zu essen: Diesel für Kekse.

Wurde dadurch automatisch mehr Umsatz erzielt? Mehr verkauft? Bei weitem nicht. Auch die Kundenbindung wurde nicht unbedingt besser. Im Gegenteil, der Ruf des “Vertriebs” wurde durch solche Kennziffern eher ins negative gezogen. Aussagen wie “der Vertrieb kommt nur vorbei, wenn er etwas verkaufen will” hat Einzug in Kundenbeziehungen gehalten. Schrecklich!

Heutzutage

Heutzutage erlebe ich immer noch sehr oft, dass nach solchen Kennziffern gearbeitet wird. Sie werden oft als Maßnahme dazu gezogen, dabei nicht hinterfragt und als gegeben gesehen. Dazu drei Perspektiven:

1. Ökologisch

Hinzu kommt, dass eine ökologische Betrachtung dabei auch keine Rolle spiel. Erst kürzlich habe ich auf Facebook einen Beitrag aus meinem Netzwerk gelesen. Er fragte nach, ob man heutzutage wirklich noch soviel zu Kunden reisen sollte, dies kompensieren sollte oder über neue Technologie abbilden könne. Ein Kommentator meinte dazu: “Ehrlich gesagt ist mir das ziemlich wurscht. Wenn ich wo hin muss, dann fahr ich da hin. (…) normalerweise mit dem Flugzeug, sonst mit dem 3.0 TDI.”

Gerade in der heutigen Zeit sollte ich mir als Organisation genau überlegen, ob ich Menschen auf die Straße schicke, um Kunden zu besuchen. Qualität vor Quantität. Und auch hier muss ich mir über Mobilität Gedanken machen.

2. Ökonomisch

Als Organisation setze ich Zahlen fest, die auf Quantität beruhen. Ich stelle nicht Qualität in den Vordergrund. Das merken Kunden. Und genau hier fängt das ökonomische Debakel an: ich muss mehr investieren, um Kunden zu halten. Ich setze mehr Kennziffern fest, damit noch mehr vom Vertriebsteam getan wird. Und ich statte das Vertriebsteam entsprechend aus: Fahrzeug, variable Gehaltsbestandteile, etc.

Und ich vergeude als Unternehmen viel Zeit mit der Verhandlung von Provisionsvereinbarungen. Schrecklich!

3. Mensch

Wie viele Menschen sieht man heute noch in ihren Fahrzeugen alleine sitzen. Ein Kombi, eine Person am Steuer und oft noch ein paar Blusen/Hemden hinten im Fahrzeug hängend. Ein Vorurteil oder Klischee? Ja, leider aber nur bedingt. Wie oft immer noch von “Reisebereitschaft” die Rede ist. Und es gehört einfach bei vielen Organisationen noch dazu, bzw. das Verständnis davon ist ganz normal. Sinnvoll, Qualität und an die Menschen denken, dass sie vielleicht gar nicht viel unterwegs sein wollen, das wird dabei nicht berücksichtigt.

Natürlich gibt es auch Menschen, die Reisen gut finden. Bitte nicht falsch verstehen. Für die meisten Menschen bedeutet es aber ab einem gewissen Punkt Stress. Und hier verweise ich nur kurz auf die steigenden Depressions-, bzw. Burnout-Zahlen.

Was tun?

Natürlich muss ein Unternehmen nachhaltig wirtschaften. Genau hier gehört aber auch dazu, dass sich nicht alles um Zahlen drehen kann. Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass ein Unternehmen Verantwortung für Mensch und Umwelt trägt.

Damit sollte sich jede Organisation fragen, ob die Menschen im Unternehmen reisen müssen. Ob quantitative Ziele und Messgrößen sein müssen. Oder ob ich nicht auf Qualität im Vertrieb setze, ich am Anfang vielleicht dadurch geringe Verluste habe, aber es dann von Mitarbeitern, Kunden und Umwelt honoriert bekomme?

Also auch mal mutig sein, alle Vertriebstermine absagen und nur noch die wahrnehmen, bei denen eine andere Möglichkeit nicht zielführend ist. Mit dem Kunden gemeinsam entscheiden, Transparenz dazu schaffen (lieber Kunde, wir schicken niemanden vorbei, wenn es nicht sinnvoll ist) und auf Qualität in der Beziehung achten.

Und damit schaffen wir mehr Qualität in der Kundenbeziehung, größere Zufriedenheit bei den Mitarbeitern, weniger Verkehr auf den Straßen, weniger Belastung für die Umwelt und damit ein qualitativeres Miteinander.

4 Antworten zu „Diesel für Kekse“

  1. Avatar von Iwe Kardum
    Iwe Kardum

    Hallo Stefan,
    interessanter Artikel und gute Statements.
    Im IT Consulting fliegen die Experten mit gleicher Qualifikation aus München nach Hamburg und umgekehrt, um dann teilweise Arbeiten zu verrichten die Sie auch aus dem Homeoffice machen können.
    Allerdings kann man den Wandel immer stärker spüren und die Vor-Ort Präsenz wird langsam immer unwichtiger.

    Liebe Grüße,
    Iwe

    1. Avatar von Stefan
      Stefan

      Lieber Iwe,
      vielen Dank für dein Feedback und deine Beobachtung.
      Ich freue mich, wenn Menschen weniger sinnlose Zeit im Flugzeug, Auto oder Bahn verbringen müssen. Erstere beiden aus ökologischer Sicht und insgesamt alleine aus Sicht des jeweils Reisenden.

  2. Avatar von Frank aus der Schwalm
    Frank aus der Schwalm

    …“alle Vertriebstermine absagen und nur noch die wahrnehmen, bei denen eine andere Möglichkeit nicht zielführend ist“
    Klingt wie: „Sag es ab wenn kein Umsatz entsteht“

    Qualität läßt sich nicht nur in der Menge nach Stück oder Umsatz definieren – ist nicht auch der bloße Kontakt zu einem Kunden, nur mal reden (Kekse essen) eine Qualität im menschlichen Miteinander, die letztlich eine Bindung schafft, die bloße Zahlen nicht erreichen?! Und geht nicht gerade daraus Umsatz hervor und kann ich nicht gerade dann auf den Besuch verzichten wenn die Qualität also Vertrauen, das Miteinander stimmt?

    Die Fragestellung ist doch mache ich Termine um Umsatz zu generieren oder kann ich auch Termine machen zur bloßen Kontaktpflege?
    Ich kenne keinen Vertriebsleiter der star auf Zahlen bei dem Besuch schaut. Wen das so ist, dann hat er seine Aufgabe nicht richtig verstanden.

    1. Avatar von Stefan
      Stefan

      “Klingt wie: „Sag es ab wenn kein Umsatz entsteht“ – Genau darum geht es eben nicht. Es geht im Beitrag um Qualität und eben nicht die Quantität (Quantität = Zahlen = Umsatz/DB). Hierzu auch ein Beitrag zu Qualität | Quantität im Vertrieb: https://philosophy-of-life.com/2018/04/03/arbeit-und-vertrieb-qualitaet-statt-quantitaet

      Hier ist dann der richtige Ansatz versteckt – “und kann ich nicht gerade dann auf den Besuch verzichten wenn die Qualität also Vertrauen”. Qualität ist ein menschliches miteinander. Nicht vorgegeben durch stumpfe Vertriebszahlen und Vorgaben, die eben dieses “Diesel für Kekse” befeuern.

      Gegen solche Termine “Termine machen zur bloßen Kontaktpflege” spricht nichts. Denn genau darauf kommt es an. Dann habe ich den Vertrieb aber automatisch anders aufgestellt: ich habe ihn qualitativ aufgebaut und stifte Kunden einen Nutzen (auch hierzu noch eine Empfehlung: https://philosophy-of-life.com/2018/01/30/kunde-im-mittelpunkt-bis-der-vertrieb-kommt).

      Dies “Ich kenne keinen Vertriebsleiter der star auf Zahlen bei dem Besuch schaut. Wen das so ist, dann hat er seine Aufgabe nicht richtig verstanden.” habe ich leider zu oft anders erlebt. Und würde hier direkt auf meinen “Arbeit und Vertrieb: Qualität statt Quantität” (https://philosophy-of-life.com/2018/04/03/arbeit-und-vertrieb-qualitaet-statt-quantitaet) Beitrag verweisen. Hier geht es um das “Peter-Prinzip”, was anhand des Vertriebs nachgewiesen wurde. Oft werden die Menschen zum Vertriebsleiter benannt, die ein guter Vertriebsmitarbeiter waren. Man geht dann davon aus, dass diese Personen super für die Vertriebsleitung bestimmt seien. Mitnichten.
      Ich selbst habe schon mit Geschäftsführern darüber sehr hart diskutiert. Dabei kamen oft so Zahlen wie “80/20” zur Sprache. Dabei geht es nicht um eine Aussage zur Vergütung, sondern um 80% operative Vertriebsarbeit und 20% Vertriebsmitarbeiter/Inen führen. Also im Grunde ein Vertriebsmitarbeiter/In, mit angehängter Führungs- und Zahlenverantwortung.
      Ganz schlimm.

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