Vor Kurzem habe ich mit einem Bekannten von mir telefoniert. Er erzählte mir, dass er seit drei Monaten einen neuen Chef hat. Im zweiten Satz dazu merkte er an, dass dieser jünger als er selbst sei. Da wurde ich natürlich neugierig.
Junger Chef
Ich fragte also direkt nach, ob ihn das denn störe – denn er hatte es ja im zweiten Satz fallen lassen. Mein Bekannter erläuterte sofort, dass es einfach eine Feststellung war – denn sowas ist ja doch eher selten. Er selbst findet es toll, denn diese Führungskraft kann richtig gut führen.
“Ich messe ihn nicht an seiner Erfahrung, sondern wie er mit uns umgeht.”
Da wollte ich nun doch wissen, an was er das denn bemerke. Der Bekannte meinte, dass die Führungskraft nicht auf die eigenen persönlichen Erfolge verweise, nicht immer nur auf die (oftmals vermeintliche) Erfahrung hinweise, sondern eben sehr stark unterstützend tätig sei. Die individuelle Förderung eines jeden Teammitglieds steht im Vordergrund. Inhaltlich/fachlich haben wir alle im Team mehr Erfahrung als unsere Führungskraft. Aber diese fördert uns eben und hilft uns, dass wir unseren Job machen und uns weiterentwickeln können. Ich messe ihn nicht an seiner Erfahrung, sondern wie er mit uns umgeht.
Ein neues Verständnis
Dieses Verständnis und die Akzeptanz gegenüber neuen Führungskräften fand ich toll! Denn immer noch existiert von einem Chef das Bild eines Menschen mit viel Erfahrung und oftmals auch einem gesetzteren Alter. Dies beruht eben auf dem kulturellen Bild und Verständnis der idealen Karriereleiter:
- Ausbildung/Studium
- klein im Job anfangen („Lehrjahre sind keine Herrenjahre“)
- 1. fachlicher Aufstieg
- 2. fachlicher Aufstieg (Senior)
- 1. Leitungsfunktion
- 2. Leitungsfunktion (mittleres Management)
- 3. Leistungsfunktion (C-Level)
Wie das in der Vergangenheit aussah und welchen Menschen mit Führungsaufgaben wir heute begegnen, hatte ich bereits einmal in “Vorgesetzt” beschrieben. Dieses kulturelle Bild haben immer noch viele Menschen in ihren Köpfen – verständlich, denn wir haben es als Gesellschaft lange auch genährt.
Potentiale entfalten
Eine Studie (durchgeführt im 1. Quartal 2021 durch XING) zeigt, dass nur jeder Dritte Mensch die eigenen Potentiale im Unternehmen und Job entfalten kann. Und für diese Unterstützung in der persönlichen Entfaltung sind eben genau die Führungskräfte verantwortlich.
Umso mehr freuen mich Nachrichten und Aussagen wie die von meinem Bekannten, dass eben die neue Führungskraft unterstützt und einen Umgang pflegt, der auf die persönliche Weiterentwicklung und individuelle Potentialentfaltung eingeht. Denn genau das sollten Führungskräfte auch machen: die individuelle Potentialentfaltung eines jeden Menschen fördern, Freiräume für die Arbeit schaffen und den Menschen auf wertschätzender Augenhöhe begegnen.
Es wird also Zeit, dass wir unser kulturelles Bild der Karriere überdenken und anfangen, offen für eine neue Art der Führung und auch Karriere zu sein! Dann muss nicht mehr extra betont werden, dass die neue Führungskraft jünger ist – sondern wir können uns auf unsere Arbeit und auch unsere individuellen Potentiale konzentrieren.
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