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Wenn Erfahrung geht, geht mehr als ein Mensch

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Die stille Welle: der demographische Umbruch

Zwischen 2025 und 2035 wird Deutschland einen massiven Umbruch erleben. Etwa 8 bis 9 Millionen Menschen werden in den Ruhestand gehen. Das ist nicht nur ein Thema für Sozialversicherungssysteme, sondern ein konkretes Risiko für Organisationen. Denn mit jedem Renteneintritt verliert ein Unternehmen nicht nur eine Arbeitskraft, sondern Jahrzehnte an gelebtem Erfahrungswissen.

Der typische Ruheständler hat zwischen 40 und 45 Jahre gearbeitet. Rechnen wir diese Spanne auf die Gesamtzahl der kommenden Renteneintritte hoch, stehen wir vor einem Verlust von rund 360 bis 400 Millionen Jahren Berufserfahrung. In Worten: dreihundertsechzig Millionen Jahre. Und das innerhalb eines Jahrzehnts. Das ist keine Statistik – das ist Realität.

Was wirklich verloren geht

Was mit dem Renteneintritt verloren geht, lässt sich nicht in Checklisten erfassen. Es sind nicht nur Prozesse oder Aufgaben, die übergeben werden können. Es sind Muster, Beziehungen, Intuitionen. Erfahrungswissen ist unsichtbar, aber entscheidend.

Art des WissensWarum es nicht ersetzbar ist
Implizites Wissen„Ich weiß, dass das nicht funktioniert, auch wenn ich es nicht exakt begründen kann.“
Historisches Wissen„Das haben wir schon versucht und es ist gescheitert, weil…“
BeziehungsnetzwerkeVertrauen, das über Jahre gewachsen ist, nicht übertragbar.
Mentale ModelleEntscheidungen, die auf Erfahrungsmustern basieren, nicht auf Daten.
Umgang mit UnsicherheitGerade in Krisen entscheidend, oft durch nichts zu ersetzen.

Dieses Wissen ist nicht in Systemen gespeichert. Es lebt in Köpfen, Gesprächen, Routinen. Und wenn es geht, geht es leise, aber spürbar.

Warum KI das nicht auffängt

In vielen Unternehmen ruht die Hoffnung auf Technologie. Automatisierung, Datenbanken, künstliche Intelligenz. Das mag Prozesse effizienter machen. Aber Erfahrung lässt sich nicht digitalisieren.

KI braucht Daten. Doch die besten Daten sind oft nicht verfügbar – weil sie nie erfasst wurden. Oder weil sie sich nicht erfassen lassen. Ein Bauchgefühl, eine Warnung im richtigen Moment, eine Erinnerung an einen Fehler aus der Vergangenheit – all das entsteht aus Erfahrung, nicht aus Algorithmen.

KI kann unterstützen. Aber sie ersetzt keine Geschichte. Kein Netzwerk. Keine Intuition. Der HAI Navigator zum Beispiel ist eine sinnvolle Ergänzung, weil er dort ansetzt, wo Erfahrung weitergegeben werden kann: von Mensch zu Mensch. Digital unterstützt, aber nicht automatisiert, als Begleitung und nicht als Ersatz.

Wissenssicherung beginnt mit Haltung

Der erste Schritt, um Erfahrungswissen zu erhalten, ist eine Veränderung in der Haltung. Wer Mitarbeitende vor dem Ruhestand als „Kostenfaktor“ betrachtet, verpasst die Chance, sie als Träger von Zukunftskompetenz zu sehen. Es geht nicht darum, Menschen künstlich im Unternehmen zu halten. Es geht darum, das, was sie wissen, sichtbar und zugänglich zu machen.

Was Unternehmen jetzt tun können:

  • Wissenslandkarten erstellen
    Wer weiß was? Wer kennt wen? Welche Geschichte steckt hinter Entscheidungen?
  • Tandemmodelle & Reverse Mentoring
    Wissen weitergeben – und zugleich den Blick nach vorn öffnen
  • Storytelling & Fehlerkultur
    Nicht nur Best Practices sammeln, sondern echte Erfahrungen dokumentieren
  • Digitale Buddy-Systeme einsetzen
    Tools wie der HAI Navigator können Alltagssituationen begleiten und Wissen andocken
  • Wertschätzung leben
    Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, bringt mehr mit als nur Erfahrung – nämlich Haltung, Loyalität und Überblick

Der Preis des Nichtstuns

Viele Unternehmen merken erst, was fehlt, wenn es weg ist. Wenn niemand mehr weiß, warum ein bestimmter Prozess nie digitalisiert wurde. Wenn neue Führungskräfte scheitern, weil das informelle Machtgefüge nicht mehr greifbar ist. Wenn wichtige Kundinnen nicht mehr betreut werden können, weil der Draht weg ist. Und dann beginnt das mühsame Rekonstruieren, oft mit teurem Beratungsaufwand, manchmal vergeblich.

Dabei wäre der richtige Zeitpunkt jetzt. Jetzt, wo Wissen noch da ist. Jetzt, wo Routinen noch laufen. Jetzt, wo Menschen noch bereit sind, zu teilen, wenn man sie lässt.

Fazit: Es geht nicht nur um Wissen. Es geht um Zukunft

Der demographische Wandel ist keine Zukunftsmusik mehr. Er ist Realität. Und er betrifft nicht nur Personalabteilungen, sondern jede Führungskraft, jedes Team, jede Organisation. Mit jeder Person, die geht, verschwindet ein Stück kollektives Gedächtnis. Wer das ignoriert, wird es morgen spüren, in Fehlern, in Reibung, in Unsicherheit.

Aber: Wer jetzt anfängt, kann gestalten. Mit Struktur. Mit Haltung. Und mit Technologien, die Menschen verbinden statt ersetzen.

Denn: Wenn Erfahrung geht, geht mehr als ein Mensch. Es geht ein Stück Kultur. Und vielleicht auch ein Teil der Zukunft, sofern wir nicht gegensteuern.


Quellen

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