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Mitarbeiterbindung ist kein Nice to have

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Wenn ich “Fachkräftemangel” in einer Suchmaschine eingebe, erhalte ich das als Ergebnis: “Ungefähr 11.100.000 Ergebnisse (0,39 Sekunden)”.

Ja, Fachkräftemangel wird uns noch eine sehr lange Zeit beschäftigen. Alleine der demographische Wandel in den nächsten 10 Jahren wird einen immensen Einfluss darauf haben.

Aber: der Fachkräftemangel ist nur ein Symptom und nicht die Ursache! Da gibt es viele andere Punkte, die weitaus mehr Aufmerksamkeit bekommen sollten.

In Vergessenheit geraten

Der Fachkräftemangel ist vorhanden und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Denn viele Ursachen sind unmittelbar im Unternehmen zu finden. Die Mitarbeiterbindung ist nämlich vernachlässigt worden und in Vergessenheit geraten.

Ein paar Zahlen…

Wenn es um arbeitende Menschen geht, gibt es zahlreiche Befragungen, Statistiken und letzten Endes Zahlen. Diese Zahlen zeigen ein eindeutiges Bild: um die Bindung von Mitarbeitenden ist es schlecht bestellt. Vor Kurzem hielt ich eine Keynote auf einer Veranstaltung mit knapp 100 Teilnehmern. Die Antwort auf meine Frage, wie es um die Bindung von Mitarbeitenden bestellt sei (gut oder schlecht), bestätigt das Bild: die große Mehrheit hält die Mitarbeiterbindung für unzureichend.

Ein paar Zahlen (wer die eigenen Zahlen kennenlernen möchte, kann dies hier gerne machen) möchte ich herausgreifen:

Quiet Quitting bedeutet, dass diese Menschen ihren Job nach vertraglichen Vereinbarungen erfüllen, aber (!) nicht aktiv über den Tellerrand schauen werden. Sie machen ihren Job (nicht verkehrt), werden aber eben nicht wirklich aktiv werden. Innere Kündigung bedeutet, dass diese Menschen mit dem Unternehmen abgeschlossen haben. Da fallen Gewinnverluste und direkte Kosten an!

Jeder Mensch hat Aufgaben im Job. Im Durchschnitt ist es nun aber so, dass von diesen Aufgaben 31% negativ aufgefasst werden. Hierzu verweise ich immer gerne auf das Reporting/Präsentations-Paradoxon. Die Menschen können ihre Stärken nicht einsetzen und ihr Potential entfalten.

Diese Zahlen zeigen eindeutig, dass wir ein wirkliches Problem haben. Menschen sind nur wenig an das jeweilige Unternehmen gebunden!

Wer trägt die Schuld?

“Umso mehr wir am Band stehen, umso mehr produzieren wir auch.”

Stefan Wickenhäuser

Es liegt in der Natur des Menschen, einen Schuldigen dafür auszumachen. Vielleicht sind es die Talente, eine Generation, die Mitarbeitenden, die Abteilungen HR oder Recruiting, die Führungskräfte (Lesetipp: Will ich führen?), die Unternehmen an sich oder die Politik? Ach, an Auswahlmöglichkeiten mangelt es uns nicht.

In der Realität tragen wir als Gesellschaft dazu aktiv bei. Wir stecken als solche mental in der Henry-Ford-Zeit fest.

Umso mehr wir am Band stehen, umso mehr produzieren wir auch. Das ist die Henry-Ford-Zeit. Dazu gibt es zahlreiche Beweise, gerade aus der jüngsten Vergangenheit:

Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) meinte zum Fachkräftemangel folgendes: „Wenn alle Frauen, die aktuell in Teilzeit beschäftigt sind, durchschnittlich zwei Stunden am Tag länger arbeiten würden, würde das so viel bringen wie 500.000 Arbeitskräfte.“

Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und Sigmar Gabriel, ehemaliger Politiker, unterstützen beide die 42-Stunden-Woche, um dem Fachkräftemangel entgegen zu treten.

Für Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) braucht es mehr Leistung. Seine Sicht ist, dass arbeitende Menschen “eine gute Work-Life-Balance auch mit 39 Stunden Arbeit in der Woche hinbekommen”.

Wie kommen wir da wieder raus?

Wir alle tragen die Verantwortung. Und wir können alle unseren Teil dazu beitragen. Da es in diesem Beitrag um Mitarbeiterbindung geht, gehe ich auf die zwei relevanten Bereiche dazu ein: den mitarbeitenden Menschen und das jeweilige Unternehmen.

Der einfachste Schritt* fängt in unserer alltäglichen Arbeit an: was machen wir den ganzen Tag, was sind unsere Aufgaben und wie stehen wir diesen gegenüber?

Diese Fragen dienen der Reflexion. Damit wird ein mentaler Veränderungsprozess angestoßen, dem auch durchaus die notwendige Zeit eingeräumt werden sollte.

Wenn Klarheit darüber herrscht, ist es wichtig, dass jede:r Mitarbeitende sich selbst darüber klar wird, worin die eigenen Stärken bestehen, in welcher Aufgabenstellung man gut ist und in welcher nicht. Heißt, sich die passenden Aufgaben selber heraussuchen (Rahmen für intrinsische Motivation) und entsprechend den eigenen Potentialen erfüllen. Klare Verantwortung kommunizieren und auch so leben ist ein weiterer Baustein.

Wertschätzung und Vertrauen sind die Basis für eine gemeinsame positive Zusammenarbeit.

Es wird ersichtlich, dass sehr viel Arbeit bei den Mitarbeitenden liegt. Aber: das Unternehmen muss die Basis dafür schaffen. Denn alle aufgeführten Maßnahmen gelten sowohl für die Mitarbeitenden als auch das Unternehmen.

Wir alle tragen dafür die Verantwortung, für eine mentale Veränderung, um aus der Henry-Ford-Zeit zu entkommen. Es wird Zeit, dass wir uns dieser stellen und aktiv werden!

Quellen und Erläuterungen

*: es handelt sich hierbei um den ersten Schritt der ReJob Methode. Dies ist eine Methode, um die Mitarbeiterbindung zu erhöhen, den eigenen individuellen Fachkräftemangel zu senken und Stellenanzeigen neu zu denken.

  • 1.Gallup Engagement Index 2021
    • a.„Dienst nach Vorschrift“ bedeutet, dass nur das vertraglich vereinbarte geleistet wird; darüberhinausgehende Leistungen erfolgen nicht.
    • b.Quiet Quitting“ ist mehr als „Dienst nach Vorschrift“: es ist das teilweise bewusste wegschauen von anfallender Arbeit und wenig Motivation mehr zu machen und/oder einen Blick über „den Tellerrand hinaus“ zu haben.
  • 2.XING Wechselbereitschaftsstudie 2022
  • 3.XING Studie Potentialentfaltungsstudie 2021
    • a.Vorstufe zu Dienst nach Vorschrift und mündet in innerer Kündigung
  • 4.IW-Analysen 149 „Fluktuation auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ vom Institut der deutschen Wissenschaft 2022
  • a.Bedeutet in Zahlen, dass Fluktuationskosten zwischen EUR 1.330.020, – und EUR 2.955.600, – pro Jahr anfallen
  • 5.SHRM Retaining Talent Research 2019
    • a.30-50% des Jahresgehaltes beinhaltet alle Kosten von „Fachbereich sucht“ bis hin zu „Stellenanzeige ist erstellt“, inkl. möglicher entgangener Umsätze; bedeutet, dass bei einem Durchschnittsgehalt von EUR 49.260, – (Quelle: Statistisches Bundesamt) Kosten in Höhe von EUR 14.778, – bis EUR 24.630, – anfallen
    • b.90-200% des Jahresgehaltes beinhaltet alle Kosten von „Fachbereich sucht“ bis hin zu „Mitarbeitende fängt an“, inkl. möglicher entgangener Umsätze; bedeutet, dass bei einem Durchschnittsgehalt von EUR 49.260 (Quelle: Statistisches Bundesamt) Kosten in Höhe von EUR 44.334, – bis EUR 98.520, – anfallen
  • 6.Erhebung New Business Manufaktur 2022
    • a.95% Unzufriedenheit: Befragung von 100 Menschen (branchenunabhängig)
    • b.31% Unzufriedenheit in den Aufgaben: Auswertung von über 100 Befragten anhand von Fragebögen
  • 7.Statement Institut der deutschen Wirtschaft vom 11. November 2021
  • 8.Statistisches Bundesamt 3. Quartal 2022
  • 9.Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig
  • 10.Gallup.com

4 Antworten zu „Mitarbeiterbindung ist kein Nice to have“

  1. Mitarbeiterbindung ist kein Nice to have | Rethinkingjob

    […] Lest hier den ganzen Beitrag auf #VeraenderungStarten. […]

  2. Avatar von Kathrin Schweizer
    Kathrin Schweizer

    super Artikel! Ich stimme voll und ganz zu, dass Mitarbeiterbindung ein strategisches Thema sein sollte, das von der Unternehmensleitung vor allem ernsthaft angegangen wird. Es erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter berücksichtigt. Ich denke da beispielsweise an flexible Arbeitszeiten, Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Anerkennung und Wertschätzung, transparente Kommunikation und eine ausgewogene Work-Life-Balance. Das sind nur einige der Faktoren, die meiner Meinung nach zur Mitarbeiterbindung beitragen können und ich stelle immer wieder fest: Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

    1. Avatar von Stefan Wickenhäuser
      Stefan Wickenhäuser

      Danke Kathrin, für deine Einschätzung.
      Ja, sehe ich auch so – einen weiten Weg. Vor allem, können wir mit einer erhöhten Bindung und Zufriedenheit eben auch den entsprechenden Fachkräftemangel verändern. Alleine das ist ein absolutes Argument dafür. Und wenn ein Unternehmen wirtschaftlich agiert, dann sollte das damit ganz oben auf der Agenda stehen.

  3. Mitarbeiterbindung ist kein Nice to have – Rethinking Job

    […] Lest hier den ganzen Beitrag auf #VeraenderungStarten. […]

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