Im Job Profi sein dürfen

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„TGIF“ ist ein Akronym, welches ich relativ oft höre. Dies kann so viele Hintergründe haben, darum frage ich immer nach. Mich interessiert es und finde es immer wieder interessant, warum sich Menschen gerade aufs Wochenende freuen (steht was Tolles an?). Meist kommt dann der aktuelle Job als Grund: die Woche war stressig, viel zu tun, von einem Meeting ins andere gehetzt (oh no! Bitte lest das hier einmal) oder die aktuellen Aufgaben sind einfach zu viel.

Bei meinen Coachees frage ich hier immer genauer nach. Was dann oftmals kommt, ist leider ein häufig anzutreffendes Problem (ja, ihr dürft „Problem“ sagen!): bei den zu bearbeitenden Aufgaben sind viele dabei, die dem jeweiligen Menschen keinen Spaß machen, sie sich in der Erledigung dieser Aufgaben nicht wohl fühlen und sich nicht damit identifizieren können.

Problem erkannt

Jetzt könnten wir sagen „fein, Problem erkannt, finde dich damit ab, dass es Aufgaben gibt, die du nicht gerne machst“. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Klar, es wird immer Aufgaben geben, die machen einfach keinen Spaß (von meiner Seite ein kurzer Gruß ans Finanzamt!). Dies sollten aber die wenigsten Aufgaben sein.

Das viel größere Problem

Nun ist das aber oft eben nicht so. Aufgaben werden gemacht, egal ob sie Spaß machen oder eben nicht. Mir geht es hier nicht um den Spaß (sollte oftmals da sein, muss aber nicht zwingend sein). Mir geht es eher um die Expertise und darum, dass wir Profi in unserem Job sein wollen. Wenn wir uns aber mit Aufgaben umgeben, die eben nicht zu uns und unserer Rolle passen, dann können wir auch kein Profi sein.

Positionen im Football

Ich habe mit Absicht wieder ein American Football Titelbild gewählt. Denn das will ich gerne als Beispiel verwenden.

Im American Football, gerade in der NFL, sind die jeweiligen Spieler auf ihren Positionen Profis. Ein Running Back wird den Ball nehmen und laufen. Ein Kicker wird kicken. Und Spieler in der Line werden dem jeweiligen Spielzug entsprechend blocken.

Das ist die vereinfachte Form. Das Spiel ist weitaus komplexer und die Aufgaben durchaus vielfältiger. Aber sie betreffen immer die jeweilige Position, bzw. Rolle.

Klar, es gibt auch generische Profis. Hier fällt mir immer gerne „Taysom Hill“ ein: dieser Spieler kann verschiedene Positionen spielen und ist darin gut. Seine Expertise liegt genau in dieser Vielfältigkeit. Würde der Trainer nun Taysom Hill nur auf die Position des Running Back setzen, würde Hill nur noch mittelmäßig sein. Auch als Quarterback ist er nur bedingt gut. Er ist einfach ein Allrounder und darin Profi.

Würde bspw. ein sehr guter Runningback (Offense) die Aufgabe erhalten, nun auch noch in der Defense eine Position einzunehmen, kann dies für einen Perspektivwechsel toll sein. Für die Stärkung des Teams und das Gewinnen von Spielen sieht es dann eher mau aus. Denn der Spieler wird sich nicht mehr auf die originäre Aufgabe konzentrieren können.

Oder nehmen wir Ersatzspieler: der zweite Quarterback sitzt sowieso nur rum. Also kann er vielleicht sich noch um die Buchung der Reisen zu den Spielen kümmern. Problem dabei ist, wenn es darauf ankommt, dann wird dieser Spieler nicht liefern können. Denn er hat nicht seine gesamte Konzentration auf das Training für seine eigentliche Aufgabe gelegt.

Zurück zur Arbeit

Wenn wir das nun in unser berufliches Umfeld übersetzen, dann sehen wir immer wieder Menschen, die Aufgaben machen, die nicht ihrem Typ und Expertise entsprechen: Menschen, die eine Tabellenkalkulation machen, dafür ewig brauchen und die Zahlen danach vielleicht sogar stimmen. Menschen, die Präsentationsfolien mit einem Aufsatz verwechseln. Menschen, die auf Bühnen präsentieren, nur weil es die Rolle so sieht.

Dabei wird viel Zeit verschwendet – die Menschen brauchen für Dinge die sie nicht so beherrschen, bzw. die nicht in ihrem „mache ich gerne“ Umfeld sind, viel Zeit. Zudem sinkt die Motivation und entsprechend hat genau das auch Auswirkungen auf die restliche Arbeit. Eine negative Spirale entsteht.

Wie können wir damit umgehen?

Zum einen sagen die Menschen, wenn ich sie darauf anspreche, dass sie diese blöden Aufgaben doch nicht abgeben können. Sie gehen oft davon aus, dass andere Menschen diese Aufgaben auch nicht mögen. Hier hilft es, dies im Team zu besprechen und sich der eigenen Stärken und Talente bewusst zu sein.

Zum anderen ist hier die Führungskraft gefragt. Der Job der Führungskraft ist (unter Anderem) die Stärkung der individuellen Potentiale der Menschen im Team. Auch gehört die Förderung der Potentiale dazu. Vielleicht auch die Umbesetzung (im Profi-Football gibt es Spieler, die an der Universität andere Positionen als in der NFL spielen; weil der Trainer (= Führungskraft) und das Coachingteam andere Potentiale entdeckt haben) mit dem jeweiligen Menschen erörtern.

Auch sollten wir uns von dem Gedanken lösen, dass Arbeit eben so ist und nicht immer Spaß macht. Diese Gedanken kann ich haben, wenn ich sehr reflektiert bin und nicht „TGIF“ denke. Sobald mir dieses Akronym in den Sinn kommt, ist es ein ungesundes Verhältnis und ich bin in der negativen Spirale. Daher gehört ein hohes Maß an Selbstreflektion aber eben auch an Fremdreflektion durch die Führungskraft dazu. Wenn ich einmal „TGIF“ denke, dann war die Woche vielleicht wirklich nicht so toll. Wenn ich mir am Sonntag aber gleich wieder denke „Mist, morgen ist Montag“ und sich das öfter wiederholt, dann ist zwingender Handlungsbedarf vorhanden!

Soweit sollten es wir selbst – aber auch die jeweilige Führungskraft – nicht kommen lassen!

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